Ihr liebt Flugsimulation.
Wir berichten darüber.

Es liegt bestimmt auch an Otmar Nitsche, dass kurz nach Release des Microsoft Flight Simulators bereits schon so viele neue Freeware-Szenerie erscheinen sind. Der Deutsche hatte kurz vor dem 18. August das kostenlose Blender2MSFS-Toolkit bereitgestellt. Mit diesem Programm können Designer und Bastler, die im 3D-Programm Blender Szenerie-Elemente und mehr erstellen, ihre Entwürfe ins passende Format für den MSFS exportieren.

So beachtlich dieses Tool eigentlich schon ist, hat Nitsche nebenher noch andere Eisen im Feuer: Der Entwickler, der seine Produkte unter der Marke Wing42 veröffentlicht, arbeitet an der Umsetzung der Lockheed Vega und Boeing 246 für den MSFS. Im Interview verrät Otmar die neuen Herausforderungen des FS, wie kooperativ Asobo Studios sind und zeigt dabei gleich noch exklusive Vorschaubilder der Lockheed Vega im neuen Microsoft Flight Simulator.

Schön "schrullig" - das Cockpit der Lockheed Vega von Wing42.

Otmar, Vintage-Fans kennen deine Produkte für den FSX und P3D bereits, doch erstmal; One-Man-Show oder Team-Effort: Wer steckt hinter Wing42?
Ich arbeite derzeit alleine an meinen Projekten. Allerdings könnte ich es nicht ohne die Unterstützung meiner Freundin schaffen.

Die meisten Entwickler sind schon länger am Werkeln. Seit wann betreibst du Flugsimulation?
Mein erster Kontaktpunkt mit Flugsimulation war der FS3 auf einem Dell “Laptop” mit einem 80386 SX2 CPU. Von da an war ich immer ein guter Kunde verschiedener Simulatoren (Flight Unlimited, Fly, FS5, Falcon, etc.). Ernsthaft eingestiegen bin ich jedoch erst mit FSX und ich habe mit dem FSX auch angefangen, hinter die Kulissen zu schauen, indem ich als Hobby Addons entwickelt habe.

Wer auf dein letztes Statement auf deiner Seite im Bezug auf den neuen Sim liest wird merken: Erst warst du skeptisch, jetzt bist du Fan: Was begeistert dich am neuen Flight Simulator? Was könnte man noch verbessern?
Ich halte den neuen Flight Simulator für einen Meilenstein in der Simulatorgeschichte. Die Technologien die hier zum Einsatz kommen stellen einen gewaltigen Sprung nach vorne dar.
Allerdings ist das immer nur eine Hälfte der Medaille. Vorgänger des Microsoft Flight Simulator waren so erfolgreich weil sie eine Platform waren auf welche man mit Addons aufbauen konnte. Microsoft hat die Community nach dem katastrophalen MS Flight 2012 für Jahre komplett im Regen stehen lassen. Hinzu kam meine negative Erfahrung mit Microsoft und ACES aus den FSX-Tagen – die Kommunikation war immer extrem einseitig. Als Microsoft das Comeback in die Flugsimulation letztes Jahr auf der E3 ankündigte, war ich daher extrem skeptisch. Werden Addon Entwickler weiterhin auf unabhängigen Platformen veröffentlichen dürfen? Wird es überhaupt ein SDK (Software Development Kit) geben? Wird auf unsere Kritik eingegangen?
Die Antwort ist: Microsoft ist Microsoft, und Informationen sind relativ schwierig zu bekommen. Auf der anderen Seite haben wir jetzt jedoch Asobo – das Game Studio das für die Entwicklung des neuen Flugsimulators zuständig ist, und deren Offenheit und Kommunikation ist überwältigend! Selbst als kleines Ein-Mann Unternehmen habe ich eine direkte Kommunkationsleitung zu Entwicklern von Asobo, bekomme Antworten auf meine Fragen und kann Verbesserungsvorschläge kommunizieren. Dies ist der Grund warum ich von der neuen Platform so überzeugt bin – die Entwickler stehen in direktem Austausch mit der Community und gehen auf unsere Vorschläge offen ein.
Zudem sehe ich die Veröffentlichung des MSFS nur als einen ersten Schritt in einer langen Reise. Die Platform wird mit jedem Update weiter ausgebaut und verbessert. Asobo hat angekündigt: “This is only the beginning!” und solange Microsoft nicht den Geldhahn zudreht bin ich sehr zuversichtlich was die Zukunft dieser Platform angeht.
Derzeit zu kritisieren ist sind der derzeitige Mangel an Dokumentation – insbesondere Animationen, Instrumente und Effekte – und die Kommunikation Seiten Microsofts rund um die Konditionen für Drittanbieter wie Wing42.

Bevor die Vega in den Himmel ging, was war deine erste Entwicklung für den Flusi?
Ich habe vor der Lockheed Vega meine Arbeit nie veröffentlicht. Die Addons an denen ich gearbeitet habe waren lediglich mein Hobby und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Wie viel Arbeitsstunden flossen bisher in deine Addons und was in der Entwicklung “frisst” die meiste Zeit?
Die Lockheed Vega ist bereits seit über drei Jahren in Entwicklung! Der Grund für diese lange Entwicklungszeit war mein Wunsch eine besonders realistische Systemsimulation zu entwickeln welche ich dann auch in zukünftige Produkte einbauen kann. Die letzten zwei Jahre habe ich hauptsächlich damit verbracht das Prop-o-Tronic Modul zu programmieren.

Asobos Offenheit und Kommunikation ist überwältigend!

Stichwort Prop-o-Tronic. Du hast jetzt auch für den MSFS die Lockheed Vega angekündigt, die ja ein echter Klassiker der Luftfahrt-Geschichte ist. Sie soll aus dem FSX bzw. P3D in den MSFS weiterfliegen. Was hat dich außer der Liebe für den Motorsound noch dazu bewegt, dieses Flugzeug auszuwählen?
Ich war schon immer ein großer Fan von Flugzeugen der 1920er und 1930er Jahre. Mich begeistern die Formen, die riesigen Motoren und die ausgeklügelte Mechanik. Aber darüber hinaus haben Maschinen aus dieser Zeit auch eine gewisse Schrulligkeit. Die Instrumentenbretter wurden größtenteils nach dem Prinzip “wo halt Platz ist” organisiert und es finden sich viele experimentelle Prototypen in den alten Flugzeugtypen welche die Benutzung sehr “interessant” machen.
Beispiele dafür sind der “spark control lever” in der Vega, mit welchem man den Zündzeitpunkt der Zylinder manipulieren kann, oder der Schwungrad Starter – im Grunde eine Kompromisslösung um einen schweren Wasp-Motor mit einem “kleinen” 12 Volt Motor bewegen zu können. Ich habe eine große Freude daran diese Funktionen zu recherchieren und nach und nach in den Simulator einzubauen und ich glaube meine Kunden wissen diese kleinen Details sehr zu schätzen.

Als Ingenieur kennst du dich perfekt mit der technischen Seite eines Flugzeuges aus und hast mit ein Prop-o-Tronic ein Feature eingebaut, das Immersion bietet, wie man sie sonst nur von Anbietern wie A2A Simulations kennt. Im neuen Sim verschwindet dieses Feature – vorerst. Welche technischen Hindernisse müssen hier noch aus dem Weg geräumt werden? Und welche Rolle spielt  Simmconnect?
Die Entwicklung von Prop-o-Tronic läuft sehr intensiv seit ungefähr zwei Jahren. Ich wende Simulationstechniken aus dem Ingenieurswesen an um die physikalischen Abläufe im Motor so genau wie möglich zu simulieren. Prop-o-Tronic benutzt derzeit Gleichungen aus der Bewegungslehre (damit sich die Griffe im Passagierraum richtig bewegen), Strömungslehre (Ölfluss und -druck), Thermodynamik (Aufwärmung verschiedener Bauteile) und Elektrotechnik (damit die Sicherungen durchbrennen können).
Das Modul ist in C++ geschrieben und damit nicht kompatibel mit der neuen Engine. Für mich ist das eine mittlere Katastrophe, da ich nun im Grunde wieder von vorne anfangen muss um all diese Funktionen in den neuen Simulator zu bekommen. Zudem kommt das Problem dass sehr viele Details der neuen Engine noch nicht sehr gut dokumentiert sind. Ich bin in regem Austausch mit anderen Addon Entwicklern sowie einigen Entwicklern von Asobo und wir helfen uns gegenseitig neue Arbeitswege zu erschliessen um unsere Addons so schnell wie möglich an den Markt zu bringen.
Im Moment sind wir noch immer damit beschäftigt die grundlegenden Funktionen, wie zum Beispiel Animationen oder Mausinteraktion vernünftig in unseren Workflow einzuarbeiten. Ich habe daher noch immer nicht die Zeit gefunden die ersten Tests mit SimConnect durchzuführen. Es sieht aber augenscheinlich so aus als hätte sich von den grundsätzlichen Funktionen nicht viel geändert. In der Vergangeheit war simConnect unabdingbar um Zugang zu einigen Simulator Variablen zu bekommen. Es ist gut möglich dass diese Variablen mit dem neuen Simulator etwas offener sind – aber frag mich in etwa drei Monaten nochmal 🙂

Otmar Nitsche nimmt Kurs auf den Microsoft Flight Simulator.

Wo wir bei einem anderen Thema wären: Der Motor allein macht noch nicht die volle Simulation aus. Wie ermittelt man eigentlich die Flugdynamik eines Flugzeuges, dass nicht mehr am Himmel zu sehen ist. Und wie geht man mit dem neuen Flugdynamik-Model des MSFS um?
Am Anfang der Aerodynamik steht immer eine Analyse der Tragfläche. Wir kennen das Profil und die Abmessungen und können davon die Auftriebskräfte unter verschiedenen Anstellwinkeln ermitteln. Die Dimensionen und die Masse des Flugzeugs sind ebenfalls bekannt und können in den Flugsimulator übernommen werden, ebenso Motorenleistung und Propellereigenschaften.
Der nächste Schritt ist dann etwas esoterischer – wir müssen ermitteln wie das Flugzeug auf die Piloteneingabe reagiert, und dieser Prozess ist etwas langwierig und immer noch nicht vollständig abgeschlossen. Ich benutze hierfür Literatur, wie zum Beispiel die Berichte von Wiley Post und Harold Gatty. Ich habe außerdem einige Tester welche ähnliche Flugzeugtypen geflogen haben und mir wertvolles Feedback geben.
Asobo hat es uns relativ einfach gemacht die Flugzeugdyamik in die neue Platform zu bekommen. Das neue Flugmodell ist sehr viel detaillierter geworden, indem zum Beispiel die Tragfläche in verschiedene Sektionen aufgeteilt wird um die Auftriebskräfte zu ermitteln. Von Entwicklerseite hat sich jedoch wenig geändert, da all dies vom Flugsimulator übernommen wird. Wir liefern im Grunde die selben Daten wie noch für FSX und P3D welche dann von der Engine interpoliert werden.

Kommen wir zu einem noch größeren Exoten, der Boeing 247D. Auf deiner Website hast du vor kurzem das Close-Up eines Renderings gezeigt. Warum hast du dich für dieses Muster entschieden?
Die Boeing 247 hat eine sehr interessante Geschichte und hat mitgeholfen die kommerzielle Luftfahrt praktikabel zu machen. Die 247 wird häufig als erster moderner Airliner bezeichnet, weil dieses Muster sehr viele Eigenschaften der heutigen kommerziellen Luftfahrt hat. Rumpf und Tragflächen wurden vollständig aus Metall gefertigt, es gab Platz für Pilot, Copilot und Stewardess. Die Kabine war mit einer Toilette ausgestattet. Die Boeing 247 war zudem eines der ersten kommerziellen Flugzeuge welches mit nur einem der zwei Motoren weiter steigen konnte.
Ich glaube zudem dass dieser Flugzeugtyp mit sehr viel Freude zu Fliegen ist. Sie ist relativ schnell mit guter Reichweite und hat ein sehr interessantes Cockpit. Das Flugzeug hat ausserdem eine interessante Geschichte mit spannenden Routen welche es zu erkunden gibt.

In deinem Forum kursieren noch Bilder der Electra: Wann können Vintage-Fans in diese Maschine einsteigen?
Die Lockheed model 10 “Electra” ist eines meiner früheren Projekte, an welchem ich viele Stunden gearbeitet habe. Seit dem Umstieg auf MSFS halte ich die derzeitige Qualität des 3D Modells jedoch nicht mehr für ausreichend und ich werde das Modell grundlegend überarbeiten müssen bevor an eine Veröffentlichung zu denken ist.
Das Projekt liegt daher derzeit auf Eis, allerdings werde ich definitiv wieder an der Electra arbeiten, da sie eines meiner absoluten Lieblingsflugzeuge ist.

Und mal abseits der Entwicklung: Welchen Sim startest du, wenn es mal nur ums Fliegen und Entertainment geht?
Ich arbeite derzeit etwa eine 70 Stunden Woche, da ist nicht viel Zeit für Entertainment. Aber wenn es die Zeit erlaubt starte ich entweder Microsoft Flight Simulator und erkunde die Welt low&slow, oder ich baue Schiffe in Stormworks.

Lieber Otmar, vielen Dank für das Interview.

Hier noch exklusive Vorschaubilder der Lockheed Vega. Für weitere News und Infos zu Wing42 und Otmar Nitsche, schaut einfach auf seiner Website vorbei. 

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3 Kommentare
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Lothar
Lothar
3 Jahre zuvor

Davon lebt das Hobby. Von so genialen Leuten die solche genialen Flugzeuge entwickeln.

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[…] Der Entwickler hat vor wenigen Wochen mit uns ein Interview zum neuen Flusi und der Vega geführt. Hier könnt ihr es nochmal […]

trackback

[…] hatten Nitsche im August zu Interview getroffen, hier könnt ihr es […]

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