
Von außen betrachtet wirkt PMDG langsam wie ein Monument: ein Hersteller, der fast drei Jahrzehnten unerschütterlich die Messlatte für Airliner-Simulationen setzt. 737, 747, 777 – das Dreigestirn der modernen Flugsimulation, immer wieder neu aufgelegt, immer komplexer, immer tiefer modelliert. Doch im ausführlichen Gespräch mit YouTuber V1 Simulations zeigt Robert Randazzo, prominenter CEO und Chefphilosoph von PMDG, eine andere Seite: eine Mischung aus nostalgischer Selbstironie, entwaffnender Offenheit und technischer Besessenheit, die erklärt, warum PMDG an manchen Stellen strauchelt – und an anderen gerade zu alter Stärke zurückfindet.
Es ist ein Gespräch, das sich fast wie ein Gegenstück zu Randazzos jüngstem Auftritt bei Sky Blue Radio betrachten lässt. Vieles, was dort nur angerissen wurde – das EFB-Drama, die MSFS-Übergangsprobleme, die Zusammenarbeit mit Boeing – wird hier in voller Länge und mit der nötigen Tiefe ausgerollt. Am Ende steht ein Bild von PMDG, das differenzierter ist als das übliche „Goldstandard“-Narrativ – aber gerade dadurch glaubwürdiger.
Ein Nerd wird erwachsen
Randazzos Werdegang ist in der Szene bekannt, aber selten so plastisch erzählt worden: Ein Apple-II-Flugsimulator im Kinderzimmer eines Schulfreundes. Ein Englischunterricht in Massachusetts, unter dessen Fenster die Jets ins ILS von Hanscom AFB einschweben. Zwei pubertierende Nerds, die stundenlang im Klassenzimmer über Charts brüten – und sich irgendwann auf Fahrräder setzen, um echte JEP-Karten auf der Air-Force-Base zu erbeuten.
Aus dieser Zeit klingt bis heute etwas durch, das Randazzo unverändert prägt: das Staunen. „Ich bin der klassische Sim-Nerd“, sagt er über sich – und er meint es nicht als Pose. Der Mann, der heute über die komplexesten Luftfahrtsysteme im Consumer-Markt entscheidet, ist derselbe Junge, der einst gebannt die 747-Box „Jumbo Jet Pilot“ in einem Computerladen betrachtet hat, während der Teppich noch nach Neuware roch.
Die 737 NGX als Wendepunkt – im Simulator wie im Leben
Der Interviewer, V1 Simulations, bringt in diesem Stream die zweite Perspektive in dieses Gespräch: die des Piloten, dessen Leben ein PMDG-Produkt mitgeprägt hat. Die 737 NG, damals noch FS2004, später die NGX für FSX – für ihn war das weit mehr als ein Add-on. Es war eine Zielvorgabe. Eine Art Versprechen, dass das große Flugzeug, das gerade im Sim zwischen den virtuellen Runways rollt, irgendwann auch im echten Leben vor ihm stehen könnte.
Randazzo hört das mit einer Mischung aus Stolz und Demut. Die NGX, sagt er, sei für PMDG das erste wirklich „rundum solide“ Produkt gewesen. Veröffentlicht an seinem Geburtstag, flankiert von einem Website-Crash und einer Nachfrage, die sämtliche Erwartungen sprengte. Man kann beim Zuhören kaum übersehen, dass sich genau in dieser Schnittmenge – technische Exzellenz und persönliches Pathos – die Marke PMDG verankert hat.
Die MD-11: geliebt, gelobt – und wirtschaftlich gescheitert
Die MD-11 ist in der Realität gerade eine tragische Figur. Und das war sie auch bei PMDG. Einer der schärfsten Kontrapunkte zu dieser Erfolgsgeschichte war der Dreistrahler. Technisch zu seiner Zeit ein Meisterstück, mit einer bis heute tief loyalen Fangemeinde. Doch während die Community die MD-11 glorifiziert, erzählt Randazzo nüchtern die wirtschaftliche Wahrheit: Die Simulation der MD-11 erschien im falschen Moment.
FSX war in der Abwicklung, Prepar3D noch keine Plattform. Der Markt schrumpfte, Simmer wanderten ab. PMDG investierte jahrelang – und erhielt wenig zurück. Es war eine Erfahrung, die das Unternehmen strategisch geprägt hat. Wer sich seit Jahren fragt, warum PMDG nicht mal eben eine 757, A330 oder TriStar ankündigt, findet hier die Antwort: „Wir können brillante Produkte entwickeln, aber wenn der Markt nicht da ist, schaden wir uns selbst.“
Das Debakel um MSFS 2020t
Über den Übergang zu Microsoft Flight Simulator 2020 hat Randazzo bereits bei Sky Blue Radio gesprochen. Doch bei V1 erklärt er erstmals präzise, warum PMDG dort so ins Stolpern kam. In Prepar3D war Entwickeln technisch elegant: Variablen live auslesen, Parameter on the fly anpassen, komplexe Systeme in Echtzeit beobachten. Änderungen benötigten Sekunden. In MSFS 2020: Ein kompletter Neustart des Sims für die kleinste Codeänderung. Aus Sekunden wurden Minuten. Aus effizienten Arbeitsabläufen wurde Frust.
cruiselevel-Leser werden sich erinnern: PMDG musste eigene Debugging-Tools schreiben, weil der Sim dafür schlicht nichts bereitstellte. Das EFB der 737 wurde zum Brennpunkt dieser Probleme – und gleichzeitig politisch heikel. PMDG durfte öffentlich nicht sagen, dass sie auf Microsoft und Asobo warten. Und gleichzeitig sah es aus, als sei PMDG schlicht „unwillig“. In Wahrheit war das Gegenteil der Fall.
MSFS 2024: ein echter Fortschritt – aber noch keine Erlösung
In der 2024er-Version ist das Bild ein anderes: Die internen Tools sind besser, Debugging ist schneller, Asobo hat viel nachgebessert. Noch ist nicht alles perfekt – aber Randazzo wirkt zum ersten Mal seit Jahren entspannt, was die technischen Rahmenbedingungen angeht. Er sagt sogar, er profitiere inzwischen stärker von den Fortschritten der Plattform, als dass er noch gegen sie ankämpfen müsse.
Auffällig war, wie emotional Randazzo im V1-Interview beim Thema „Ground Handling“ wurde. Mit keinem Aspekt von MSFS hat er so große Probleme wie mit den Kräften auf dem Boden:
- Reibung fehlerhaft,
- Nosewheel-Logik nicht realistisch,
- Tiller und Rudder-Input werden falsch priorisiert,
- die Flugzeuge „schwimmen“ beim Ausrollen,
- Verhalten bei Seitenwind sei künstlich überfordernd.
Der echte Jet, sagt er, sei „aggressiv gutmütig“, ein PMDG-Wort, das in diesem Interview hängen bleibt. Der Sim dagegen bestrafe Piloten für Dinge, die im realen Cockpit nie passieren würden.
Der Weg nach vorn: PMDG bündelt seine Kräfte
Zum vielleicht ersten Mal gibt Randazzo offen zu: PMDG war zuletzt zu langsam. Die Lösung kam am 1. Oktober dieses Jahres: eine komplette interne Umorganisation. Statt mehrere Produkte parallel zu entwickeln, bündelt PMDG das Team nun phasenweise auf ein einzelnes Großprojekt. Der Effekt, sagt Randazzo, sei „messbar unglaublich“. Er spricht von einer Beschleunigung, die selbst ihn überrascht hat.
Das Resultat: Die 737-Familie für MSFS 2024 soll bis Jahresende größtenteils veröffentlicht sein. Und die 747 Classic und 400 stehen in der Startposition.
Die 747-Classic: ein Liebesbrief an die Luftfahrt
Und apropos 747: Das Herzstück des Interviews ist die Erwähnung der 747-Classic. Und sie wird so detailreich beschrieben, dass man meinen könnte, Randazzo stünde schon mitten im virtuellen Cockpit.
Die Classic wird bieten:
- Virtuellen Flight Engineer „Henning“: Ein System, das Flows übernimmt, Systeme überwacht und den Captain entlastet.
- Virtuellen First Officer, der Wegpunkte einpflegt oder komplett managt.
- Wahl zwischen INS-Navigation und nachgerüstetem FMS, je nach Epoche und Vorlieben.
- Fein simulierte Pratt-&-Whitney-Triebwerksmacken, inklusive Strafen fürs Misshandeln.
- Eine geplante Multicrew-Funktion, die echte Personen als FO oder FE einbindet. (Anmk. der cruislevel-Redaktion: Ja, wie werden das im Stream ausprobieren, wenn es soweit ist. Im Feinripp.)
Man merkt Randazzo an, wie persönlich dieses Projekt ist. Die 747 war das Flugzeug seiner Kindheit. Sie war der Grund, warum er sich schon früh in die Luftfahrt verliebte. Und sie ist das Muster, das er schon als junger Mann in einem Commodore-Spiel fliegen wollte. Dass er heute ihre detaillierteste digitale Reinkarnation verantwortet, ist eine narrative Klammer, die man nicht besser konstruieren könnte.
PMDGs Selbstverständnis: Der Rolls-Royce unter den Add-ons
Und dann wird es ein bisschen eitel. Randazzo beschreibt PMDG so, wie ein Perfektionist seine Arbeit beschreibt: als Produkt, das auch dann richtig tickt, wenn der Nutzer es gar nicht bewusst registriert. Ein Lichtblitz beim State-Change. 0,3 Ampere beim Umschalten eines Systems. Der sachte Druckabfall, wenn zwei Toiletten gleichzeitig gespült werden – Randazzo hat das Modell dazu gebaut. Diese Akribie ist keine Marketing-Vokabel. Sie ist Teil einer Philosophie:
PMDG will nicht nur korrekt sein. PMDG will fühlbar sein. Vielleicht so, wie ein Rolls-Royce. Vielleicht auch bei den Preisen?
Auch das neue Gespräch, diesmal mit V1 Simulations zeigt einen Randazzo, der weit mehr ist als der Mann, der im Forum Entwicklungsstände verkündet. Hier spricht doch irgendwie ein Pilot, ein Nerd, ein Entwickler, ein Firmenlenker – aber vor allem jemand, der seine Leidenschaft zurückgewonnen hat.
Ja, PMDG hat gelitten unter MSFS 2020. Wir auch. Ja, der Übergang war schwieriger, als die Community ahnte. Oder doch kommentiert hat? Ja, der Kurs musste neu ausgerichtet werden. Wasser auf unsere Mühlen?
Wie auch immer. Jetzt, da die Tools greifen, das Team neu fokussiert ist und die großen Projekte – 737 und 747 – in greifbarer Nähe sind, bekommt man den Eindruck einer Firma, die gerade in ihre produktivste Phase eintreten könnte.
Ein Unternehmen, das nie aufgehört hat, die Systemtiefe zu perfektionieren – und jetzt wieder genug Luft hat, seine eigenen Träume zu verwirklichen. PMDG ist lange dabei. Und wird es wahrscheinlich auch bleiben. Das müssen dann aber die Produkte zeigen. Und vermutlich fliegt dabei dann auch Roberts alter Traum mit: eine 747-Classic, die aus jeder Perspektive genau jenes Staunen zurückbringt, mit dem alles einmal begann.
Wem meine Interpretation des Interviews zu kurz war, hier das Interview im Original:

Wenn man RR mal „wirklich“ etwas tiefergehend betrachtet hat (an medialer Präsenz, nicht nur in der Flusiwelt, mangelt es nicht), lernt man ihn schon wirklich als „coole Socke“ kennen.
Leider, insbesondere in der deutschen Community und ganz besonders hier wird er ja leider immer sehr zerrissene. Ich mag ihn und PMDG sehr, die viele Kritik sowohl ihm als auch PMDG gegenüber finde ich häufig konstruiert, unfair und unangemessen.
Ich fliege im Sim seitdem ich einen 286er mit 16 Mhz hatte. Später war das erste Addon die 747. Unglaublich wie die sich von den originalen Maschinen unterschied. Seitdem habe ich fast alle PMDG gehabt , auch die gute MD11. Mit der habe ich ne IVAO World tour geflogen mit alten Jeppesen Papierkarten.
Nur die DC 6 habe ich ausgelassen. Jetzt warte ich auf die 737 für den 2024er, solange muss der 2020 auf der Platte bleiben.
Alle PMDGs waren meiner Meinung nach genial gemacht. Es wird viel drüber gemeckert was meiner Meinung nach ungerechtfertigt ist.
Nur meine unmaßgebliche Meinung…
ZzzzzzZzzzz weckt mich auf bitte wenn es soweit ….
also MSFS taugt nix. im westen nix neues die Karawane zieht weiter.
An sich ein cooles Interview, aber ich erinnere mich tatsächlich gut daran, wie oft er Asobo die Schuld fürs lange Warten gegeben hat.
Damals klang es nach Ausreden, weil andere Entwickler die Probleme nicht hatten.
Also, so verboten kann es nicht gewesen sein…
Lieben Dank für die Zusammenfassung!
Auf der Xbox lässt uns PMDG im 24er weiterhin warten. Die B77W, B77F und B77L haben wir teuer bezahlt, aber seit Monaten wird uns nicht eine einzige Liverie bereitgestellt. Alle drei Flugzeuge stehen uns nur in der PMDG-Lackierung zur Verfügung. Und das für einen Gesamtpreis von rund 240,-Euro. Ich empfinde das als eine Frechheit. Bevor wir die nicht geliefert bekommen, kaufe ich kein PMDG Produkte mehr. Ich fliege für eine VA und für mich sind Flugzeuge ohne Liverie nutzlos.
Seitdem ich ernsthaft flusiere, fliege ich eigentlich nur PMDG. Ich liebe die 777 und die 737.
PMDG ist übrigens einer der wenigen Entwickler, bei dem man einen Panel-State abspeichern kann. Ernsthafte Simmer, die einen ganzen Flug erleben wollen, sind darauf angewiesen.
Als „ernsthafter Simmer, der den SIM ernsthaft nutzt und einen ganzen Flug erleben möchte“ ist auf gespeicherte Panel States nicht angewiesen und es ist auch das Gegenteil von „ernsthafter Betrieb“ … Im realen Cockpit gibt’s die ja auch nicht oder der Flug wird „Bezaubernde Jeanie“-like herbei geblinzelt, vorbereitet.
In echt werden Widebodies bereits mit GPU ans Gate gestellt, In Japan wird sogar die route schon eingegeben um Duty Time zu sparen, oder eben schon fertig aufgerüstet von der Technik weil es vorher nochmal durchgeschaut wurde, oder eben weiß gerade nen turn-around macht
ich kaufe PMDG schon seit FSX, damals noch alle Muster, auch für den P3D alles geholt und bezahlt. Mit dem 2020 ist man zurückhaltender geworden und hat erstmal nur die 737-800 geholt. Im 24er die Triple 7F ernüchternd, funktioniert zuverlässig aber optisch erinnernd an alte FSX/P3D Zeiten. Ich hole mir nun noch die 737 weil reduziert, der Mann versteht es uns Zahlen zu lassen, findet er immer einen Grund oder eine Partnerschaft.
Soeben bin ich auf das Preview Video zu den neuen PMDG 737 Versionen von A330Driver gestossen:
https://www.youtube.com/watch?v=ywGgo1ri8Ig&t=526s
Ziemlich am Anfang 0:38min geht er darauf ein und erläutert dass für Besitzer der 2020er Version des MSFS ein großer Discount zum Start verfügbar sein soll, wenn man die 2024er Version kauft….