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Jetzt fliegt der CRJ auch im Microsoft Flight Simulator. Daher haben wir uns nochmal kurz mit seinem Schöpfer zusammengesetzt. Hans Hartmann erklärt uns im Interview, welche Funktionen im CRJ bis jetzt noch fehlen und an welche Limits er beim Programmieren gestoßen ist.

Sein Baby fliegt: Der CRJ, programmiert von Hans Hartmann bei Digital Aviation/Aerosoft.

Lieber Hans, erst einmal Glückwunsch – es ist vollbracht. Der CRJ fliegt ab heute auch im Microsoft Flight Simulator.  Wie viele Arbeitsstunden hast du jetzt eigentlich in die MSFS-Version des CRJs stecken müssen?

Die Antwort auf diese Frage möchte ich ehrlich gesagt gar nicht wissen. Ich war jetzt etwa ein Jahr full time beschäftigt. Stefan hat am 3D-Modell sogar noch etwas länger gearbeitet. Aber man muss dazu sagen, dass es sich ja auch um einen Lernprozess gehandelt hat. Denn das Gelernte kann man ja auch auf zukünftige Projekte anwenden. Insofern ist der Zeitaufwand insgesamt wohl hoch aber noch vertretbar gewesen.

Gerade bei Flugzeugen für den MSFS nimmt man nicht einfach ein Flugzeug-Add-On und portiert es in den neuen Sim. Was waren die drei größten Dinge, die für den MSFS komplett „neu gemacht“ werden mussten?

Da wäre zum einen mal die EFB, deren gesamte Grafikausgabe im Prepar3D mit Direct2D realisiert wurde. Direct2D ist im MSFS-System der WebAssembly-Umgebung aber nicht mehr verfügbar, also habe ich diese auf das GDIPlus-System umstellen müssen.

Das Zweite sind die ganzen kleinen Display-Instrumente wie Uhren, das Backup Radio und das HGS Control Panel, die auf einem Makro aus dem FSX-SDK basierten. Diese wurden ebenfalls mit GDIPlus komplett neu gemacht.

Und schließlich der letzte und vermutlich größte Punkt waren viele kleine, aber feine Unterschiede zwischen den C++ Standardbibliotheken für Windows und denen für WebAssembly (WASM). Und hier steckt der Teufel im Detail. An hunderten Stellen muss man hier kleine Änderungen vornehmen. Und dabei ging viel Zeit nicht nur für die Änderungen drauf, sondern ein großer Teil der Arbeit bestand auch darin, die Unterschiede erst einmal herauszufinden.

Du sprichst von Unterschieden, manch anderer von Limitierungen des MSFS. Was konntest du aus dem alten CRJ nicht mitnehmen?

Im Wesentlichen das Wetterradar und die Charts in der EFB. Die sind derzeit noch nicht möglich, da sie keinen Kontakt aus dem Sim heraus aufnehmen können. Ein auf Webassembly (WASM) basierender Flieger lebt in einer Sandbox. Das muss man sich wie einen geschlossenen Raum ohne Fenster vorstellen. Dies bedeutet, dass manche Funktionen einfach nicht zur Verfügung stehen. Ich weiß, dass Working Title in ihrem CJ4 bereits Navigraph-Charts haben, aber diese sind als HTML/Javascript-Instrumente realisiert, die sich mangels Interaktion nur sehr eingeschränkt mit WASM-Instrumenten kombinieren lassen. Ich habe die Charts-Schnittstelle ja nun schon über eineinhalb Jahre im CRJ für P3D, von daher weiß ich, wie das funktioniert. Aber für die Kombination aus MSFS und WASM sehe ich bisher keine Lösung, die nicht eine völlige Krücke wäre.

Dann gibt es noch Einschränkungen, was die Regentropfen betrifft.  Sie sind im MSFS war sichtbar, aber sie laufen theoretisch an der Innenseite der Scheibe herunter, weil kein korrektes dreidimensionales Glasmodell im MSFS vorgesehen ist. Die Standardflugzeuge haben alle zweidimensionales Glas. Soweit ich weiß, sind auch Scheibenwischer, die auch tatsächlich die Tropfen wegwischen, bishers so nicht vorgesehen.

Für viele MSFS-Pioniere war auch das Flugverhalten des Asobso-Sims völlig neu. Was muss ein virtueller Pilot beachten, wenn er jetzt in den CRJ steigt und eigentlich die P3D-Version gewohnt ist?

Ich bin kein Pilot, daher erlaube ich mir kein Urteil zur Genauigkeit und Qualität eines Flugmodells. Ich komme jedoch mit dem Verhalten des CRJ für MSFS genauso problemlos klar, wie mit dem für P3D. Es gibt lediglich eine Sache, die mich richtig nervt und beschäftigt – und zwar, dass mit meinem Thrustmaster TCA Throttle die kleinste Bewegung genügt um die Triebwerksdrehzahl (N1) erstmal um 5-10% abfallen zu lassen bevor sie sich dann wieder „erholt“ und den neuen korrekten Wert annimmt. Das macht genaues Regeln schwierig. Aber ich bin sicher, dass wir auch hierfür noch eine Lösung finden werden.

Die Flugdynamik war ja vor kurzem auch ein viel diskutiertes Thema, als das World Update III  beim Flaps-Fahren für Probleme gesorgt hat. In anderen Worten: Die Updates des MSFS haben nicht selten für Trouble gesorgt. Wie werdet ihr mit künftigen Releases umgehen?

So, wie wir das immer getan haben. Einen sauren Apfel in die Hand nehmen, herzhaft hineinbeißen und eine Lösung für das Problem suchen 🙂

Der CRJ wurde ja im P3D nochmal neu als Pro-Version aufgelegt und ist stark ausgereift. Wie kann man die Funktionen und Systeme jetzt umsetzen, wenn der MSFS dafür eventuell noch keine Möglichkeit bietet?

Eigentlich genau so, wie man das schon im FSX und P3D gemacht hat. Wenn man etwas mit Bordmitteln nicht umsetzen kann, dann müssen halt „kreative Lösungen“ gefunden werden. Man sollte das aber nicht unterschätzen, denn so etwas kann ziemlich komplex werden. Ein simples Beispiel aus dem FSX bzw. P3D: Vereisung hat dort keine Auswirkungen auf die Flugeigenschaften, also muss man sich anders helfen um Drag zu erzeugen. Der einfachste Weg sind Spoiler. Aber da geht es dann los. Das Flugzeug hat Flight Spoiler, Ground Spoiler und dann kommt noch die Vereisung dazu. Man hat aber nur exakt einen einzigen Spoiler im Flugmodell zur Verfügung. Also muss man sich eine Logik überlegen, wie man das alles zu einem „Super-Spoiler“ zusammenaddiert. Und dabei darf man dann natürlich nicht außer Acht lassen, dass je nach Verfügbarkeit von Hydrauliksystemen vielleicht auch nur ein Teil der Spoiler ausfährt.

Was beim Workflow im Cockpit auffiel: Diverse Tastenkürzel, die es im P3D zum Beispiel zur FMS-Steuerung gab, fehlen noch. Werden diese auch ihren Weg in den MSFS finden?

Leider existieren die dafür notwendigen Funktionen in der WebAssembly-Umgebung nicht, so dass wir zumindest vorläufig auf einen Großteil der Tastaturfunktionen verzichten müssen. Weder die Verwendung von Keyboard-Hooks, noch das Abfangen von Tastendrücken per SimConnect, ist derzeit möglich.

Nach einer Testwoche waren wir uns in der Redaktion schnell einig: Der CRJ ist gerade beim ILS-Anflug sehr tricky – welche Tipps hast du für angehende CRJ-Pilotinnen und Piloten um der Sache zu begegnen?

Die Sache mit dem ILS (in Foren als „Death Dive“ bezeichnet) hängt nicht mit dem CRJ selbst zusammen. Sämtliche anderen Flugzeuge, sei es nun der A320neo mit FBW-Mod, der Working Title CJ4 oder auch die Standarflieger, haben das gleiche Problem. Während der Beta-Tests für den CRJ haben sich mehrere Tester recht intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt und es scheint so, als würde das Problem besonders dann auftreten, wenn man aus dem Horizontalflug per Autopilot den Glideslope anschneidet. Sehr viel besser funktioniert es, wenn man dies aus dem Sinkflug heraus macht, wenn die Trimmung schon mehr oder weniger passt. Ansonsten ist wirklich zu empfehlen, über die EFB die korrekten Speeds im PFD zu setzen und sich möglichst genau an diese zu halten.

Mal ein schneller Blick nach vorne: Welche Vorteile bot der MSFS bei der Entwicklung des CRJ und was bedeutet das für zukünftige Add-Ons?

Der MSFS bietet viel bessere Möglichkeiten bei der Programmierung von Lichtern, Animationen und Sounds und bessere On-Board-Werkzeuge für das Debugging dieser Punkte sowie der Flugdynamik. Praktisch ist auch, dass man nicht mehr gezwungen ist, für viele Änderungen (z.B. Effekte) den Simulator komplett neu zu starten. Wenn die langen Zeiten vor dem Laden von WASM-basierten Flugzeugen nun noch wegfallen und die Debugger-Unterstützung für C++ besser wird, dann ist der MSFS auf einem guten Weg, eine sehr angenehme und effiziente Entwicklungsumgebung zu werden.

Lieber Hans, wir danken dir für das Gespräch.

Wer mehr noch mehr zur Entwicklung des CRJ und Hans erfahren möchte, kann auch nochmal die Folge „Der Vater des CRJ“ aus unserem Podcast nachhören. Diese haben wir im Dezember 2020 aufgenommen.

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