Eine Leidenschaft, die bereits in der Kindheit begann
Robert Randazzo, Gründer und Geschäftsführer (CEO) von PMDG, zählt ja schon irgendwie zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Flugsimulations-Szene. Im jüngsten Podcast-Interview mit dem YouTuber „Captain Kenobi“ gewährte Randazzo höchst persönliche Einblicke in seine Karriere sowie in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von PMDG.
Schon früh, erzählt Randazzo, sei seine Begeisterung für Flugzeuge geweckt worden. Eine Kindheit nahe eines US-Luftwaffenstützpunkts in Massachusetts, kombiniert mit dem ständigen Blick auf landende und startende Jets, habe sein ganzes Leben geprägt. Als Jugendlicher saß er im Klassenzimmer stets hinten, um den Himmel beobachten zu können. Was seine Lehrer damals für störend hielten, zahlt sich heute in Form einer erfolgreichen Karriere aus: Aus Randazzos Mitschülern wurden Airline- und Businessjet-Piloten – und er selbst landete über Umwege in der Welt der Flugsimulation, wo er bis heute international für Furore sorgt.
Vom Handbuch zur 747 – die Anfänge von PMDG
PMDG steht ursprünglich für „Precision Manuals Development Group“ – eine Bezeichnung, die die Anfänge als Produzent von Luftfahrt-Handbüchern widerspiegelt. Mitte der 1990er-Jahre sammelte Randazzo eifrig Flugstunden, wollte seine Schulden für die Piloten-Ausbildung abbezahlen und fand in einem Handbuchprojekt den Schlüssel zum Erfolg. Er begann, ein ausführliches 747-400-Handbuch für die damals bekannte Flugsimulation „PS1“ zu verfassen. Dass daraus einmal ein größeres Unternehmen würde, war anfangs keineswegs geplant.
„Ich wollte einfach nur genug Geld verdienen, um meine Kreditkartenschulden für die Flugstunden loszuwerden“, erinnert sich Randazzo augenzwinkernd. Er kalkulierte den Preis seines Handbuchs, sodass er bei 40 Exemplaren seine Verbindlichkeiten tilgen könnte. Doch die Nachfrage war so groß, dass er plötzlich hunderte Bestellungen hatte und mit mühevoll selbst zusammengehefteten Ordnern „auf dem Küchenboden“ saß, um die Lieferungen vorzubereiten. Aus diesen improvisierten Anfängen entwickelte sich in nur wenigen Jahren das Unternehmen PMDG, das später vom Handbuchgeschäft in die Welt der Software-Entwicklung für Flugsimulationen wechselte.
Ein Firmenname ohne Fantasie – und die „Strickclub“-Anekdote
Randazzo räumt ein, dass der Name seines Unternehmens keineswegs das Resultat einer großen Branding-Kampagne sei. „Precision Manuals Development“ stand sinnbildlich für Handbücher (Manuals), und als ein Benutzer in einem Online-Forum ironisch anzweifelte, dass nur eine einzelne Person dahinterstecken könne, fügte Randazzo trotzig das Wort „Group“ hinzu. So entstand der sperrige Firmenname „Precision Manuals Development Group“.
Doch auch die Kurzform „PMDG“ musste erst rechtmäßig erworben werden: Eine andere Firma besaß bis 2012 die Domain pmdg.com. Laut Randazzo kaufte ein befreundeter IT-Experte die Adresse unter dem Vorwand, sie für seine Großmutter und deren angeblichen Strickclub („Knitting Group“) zu nutzen. Nach Ablauf einer vertraglichen Sperrfrist erhielt Randazzo dann schließlich die Domain. Seither ist das Unternehmen im Netz unter pmdg.com erreichbar.
Vom Hobby zum weltweiten Entwicklungsstudio
Aus dem kleinen Zusammenschluss von Entwicklern ist längst ein komplexes Firmenkonstrukt geworden, inklusive Holding, mehreren Tochterfirmen für Lizenzen, Software und Flugzeugmanagement. Randazzo selbst nennt PMDG aber weiterhin liebevoll ein „kleines Familienunternehmen“. Tatsächlich, so erzählt er, arbeiteten viele Teammitglieder schon ein bis zwei Jahrzehnte lang miteinander; man habe Hochzeiten, Geburten, aber auch Schicksalsschläge miterlebt.
Trotz gewachsener Strukturen legt Randazzo großen Wert darauf, weiterhin selbst zu programmieren. Gerade das Detailverliebte, das Hineinversenken in Boeing-Schaltpläne und Ablaufdiagramme, bereitet ihm bis heute Freude. Gleichwohl beschäftigt PMDG mittlerweile eine Reihe von Spezialisten, darunter C++-Entwickler, Modellierer, Sound-Experten und mehr. Dass hier rasch die Gefahr der Überlastung besteht, ist Randazzo bewusst. Er habe schon mehrfach Entwickler ausdrücklich in den Urlaub geschickt, um Burnout vorzubeugen.
Erfolgstitel: DC-6 und 737 als „Vanity Projects“
Wer an PMDG denkt, denkt vornehmlich an hochkomplexe Boeing-Umsetzungen für gängige Flugsimulatoren. Doch gerade das legendäre Propellerflugzeug DC-6 war für Randazzo und sein Team ein sogenanntes „Vanity Project“, ein Herzensprojekt also, das im Portfolio wie ein Exot neben den modernen Jets steht. Die DC-6 spiegelt Randazzos persönliche Faszination für historische Flugzeuge wider. So flog er selbst etliche Stunden in Douglas DC-3-Maschinen und schwärmt von der Technik und Geschichte dieser Ära.
Nachdem die DC-6 als erstes PMDG-Modell erfolgreich ihren Weg in „Microsoft Flight Simulator 2020“ fand, folgte die 737-Reihe. Dort stellte PMDG in vielerlei Hinsicht neue Maßstäbe in der Systemtiefe und im Detailgrad auf – doch die Entwicklung war nicht ohne Hürden. Vor allem die Einbettung der Produkte in den Microsoft Marketplace und auf die Xbox bereitete dem Team Kopfzerbrechen: Plötzlich gab es Regeln, wie man Lackierungen (Liveries) verteilen darf, und vor allem eine Mindestpreisgrenze. Daraus entstand eine kontroverse Diskussion in der Community, da PMDG zuvor kostenlose Lackierungen versprochen hatte. „Wir wussten schlicht nicht, dass ein Minimalpreis vorgeschrieben ist“, erklärt Randazzo. Fehler dieser Art verbuche er als „Lernprozess“ – insbesondere, weil PMDG zu den Ersten gehörte, die derart komplexe Payware in die Konsole bringen wollten.
Die 777 in Microsoft Flight Simulator und das Sound-Problem
Jüngst sorgte PMDG mit seinem Boeing 777-Release für Schlagzeilen. Das Langstreckenflugzeug gilt als eines der modernsten und in der Community sehnlich erwarteten Add-Ons. Allerdings gab es zum Start Kritik an den Sounds und den Triebwerksounds. Randazzo zeigte sich gelassen: Man habe gewusst, dass hier Verbesserungsbedarf bestehe und arbeite bereits an einem vollkommen neuen Soundpaket.
Generell, so Randazzo, entwickle sich jedes PMDG-Produkt weiter. Über viele Monate, manchmal Jahre, erhalten die Add-Ons kostenlose Updates, die kontinuierlich Systemdetails ergänzen oder Fehler beseitigen. Schon bei der 737 und nun bei der 777 sei es dem Team wichtig, auf Rückmeldungen echter Piloten und Techniker zu hören. Die hohe Modelltreue gehört eben zum Markenkern von PMDG.
Komplexität dank Flight Engineer: Vorschau auf den 747 Classic
Einer der kommenden Bestseller dürfte die Boeing 747 Classic werden, sprich die „alten“ 747-100/-200-Modelle mit zusätzlichem Flugingenieursplatz. Laut Randazzo arbeitet PMDG intensiv daran, einen virtuellen „Flight Engineer“ zu implementieren – ähnlich wie im DC-6, wo man einen virtuellen Copiloten hat, der per Knopfdruck Schalter, Gemischhebel und Triebwerksparameter bedient.
Für ein dreiköpfiges Cockpit müsste der Sim-Pilot sonst unzählige Hebel und Knöpfe alleine bedienen, was kaum realistisch wäre. Diese automatisierte Crew-Funktion soll mehrere Abläufe zusammenfassen und damit das Fliegen der klassischen Jumbo-Varianten spürbar vereinfachen. Die Technik der Autopilot- und System-Logik stammt teilweise aus dem Code der moderneren 747-400, nur gewissermaßen „rückwärts“ angepasst, da diese Automatisierung einst den Flight Engineer ersetzte. Nun kehrt sie – in Form einer simulierten Person – ins Cockpit zurück.
Was passiert mit dem PMDG-Portfolio in Microsoft Flight Simulator 2024?
Ein dominierendes Thema der letzten Wochen ist natürlich auch der Umstieg auf Microsoft Flight Simulator 2024, der Ende Oktober erschienen ist und im Zuge seiner Markteinführung zunächst mit Server-Überlastungen und diversen Fehlern für Schlagzeilen sorgte. Randazzo betont: „Das war kein Debakel, sondern eher ein Ansturm, der technische Grenzen offengelegt hat.“ Zudem seien einige Funktionen im neuen Simulator teils noch nicht so implementiert, wie es PMDG benötigt.
Um dann das zu erklären, was er auch in zahlreichen Foren-Posts im PMDG-Forum schon mitgeteilt hat: PMDGs Systemlogik basiere auf C++, das über spezielle Tools in die Simulationsplattform eingebunden wird. Kurz vor dem Release von MSFS 2024 habe sich jedoch eine Änderung eingeschlichen, die diese C++-Anbindung empfindlich beeinträchtige. Inzwischen habe Asobo (das Entwicklerstudio hinter MSFS) bereits ein erstes Update ausgeliefert, doch es bestehe noch ein Problem mit der Speicherverwaltung. Bis diese Hindernisse ausgeräumt sind, könne man die PMDG-Produkte nicht nahtlos rüberschieben.
Kosten und Upgrade-Politik
Und dann ist da ja die Kritik an der Preispolitik. Randazzo stellt hier klar, dass PMDG-Kunden nicht doppelt zur Kasse gebeten werden sollen, wenn ein Produkt nur „umziehen“ muss. Für die 777, die ohnehin von Beginn an mit Blick auf MSFS 2024 entwickelt wurde, ist ein kostenloses oder sehr gering bepreistes Upgrade vorgesehen – solange Microsofts Marktplatzstruktur dies erlaubt. Komplexer ist der Fall bei der 737: Das Modell stamme aus einer Zeit, als der Microsoft Flight Simulator 2024 noch gar nicht angekündigt war. Daher plant PMDG ein umfassendes grafisches und systemtechnisches Upgrade der 737, inklusive neuer Cockpit- und Kabinenmodelle. Dafür werde ein überschaubares Upgrade-Entgelt erhoben, erklärt Randazzo. „Am Ende soll sich die Maschine in 2024 aber anfühlen wie ein brandneuer Release, nicht nur wie eine simple Portierung.“
Eine geheimnisvolle Zusammenarbeit mit Boeing
Spannend ist Randazzos Andeutung, dass PMDG bereits seit Jahren an einem Projekt mit Boeing beteiligt ist. Die genauen Inhalte unterliegen strengen Geheimhaltungsvereinbarungen; es gehe um fortschrittliche Simulations- und Analysetools für den realen Flugbetrieb. Da Boeing PMDGs Systemsimulation schätze, habe man einen Kooperationsvertrag aufgesetzt. Das bedeute aber auch, dass PMDG bestimmte Dokumente und technologische Einblicke erhalte, die keinesfalls unbedarft in den „Consumer-Markt“ überschwappen dürften. Um Konflikte zu vermeiden, habe man beispielsweise die 737 MAX-Entwicklung im PMDG-Portfolio zurückgestellt, bis das Boeing-Projekt offiziell abgeschlossen sei.
Diese enge Zusammenarbeit könnte PMDG jedoch künftig weitere Türen öffnen – etwa bei den modernen Boeing-Typen wie 787 oder 777X. Randazzo hofft, durch das gewachsene Vertrauen gegebenenfalls detailliertere Einblicke in Cockpit- und Systemarchitekturen zu erhalten, was letztlich den Detailgrad in der Flugsimulation steigern würde.
Bleibt PMDG nur bei Boeing oder lockt Airbus?
Auf die Frage, ob PMDG je ein Airbus-Projekt in Angriff nehme, antwortet Randazzo ausweichend: „Sag niemals nie.“ Realistisch betrachtet seien Boeing-Flugzeuge aber naheliegender, weil PMDG ein riesiges Arsenal an Codeklassen für Boeing-Systeme besitzt. Für ein Flugzeug wie den A320 müsste das Team viel neu schreiben, was andere Projekte mit kürzeren Entwicklungszeiten wiederum attraktiver macht. Dennoch lasse man sich Optionen offen, denn die Branche verändere sich stets.
Kurz vor dem „Burnout“? – Was Randazzo antreibt
Während des Interviews zeigt sich, wie viel Herzblut Robert Randazzo in sein Unternehmen steckt. Obschon er vermeintlich 100-Stunden-Wochen leiste und gefühlt permanent online sei, empfindet er dies nicht als Last. Er habe das Glück, mit PMDG eine Arbeit zu haben, die seine Liebe zur Luftfahrt fast eins zu eins widerspiegelt. Randazzo ist ja bekannterweise Berufspilot, Flugzeugbesitzer und nutzt privat gern Kampfflugzeugsimulationen wie DCS, um abzuschalten – allerdings mit maximaler Realismus-Einstellung.
Er betont in Podcast, dass sein Team und er sich niemals auf alten Lorbeeren ausruhen wollen. Als warnendes Beispiel führt er Ubisoft an, einstiger Star der Videospielszene, der sich laut vieler Fans durch wiederholte Mainstream-Produktionen in die Kritik manövriert habe. „Wir wollen nicht ‚u-‘ werden“, sagt er halb scherzhaft, halb ernst. Darum lege PMDG großen Wert darauf, die Community zu hören und die Detailtiefe ständig zu verbessern.
Große Pläne bis 2030 – und Optimismus trotz technischer Hürden
Für Randazzo steht fest, dass Microsoft Flight Simulator 2020 im Jahr 2019 eine regelrechte Renaissance des Hobbys eingeläutet hat. Davor sei er sicher gewesen, dass sich die Szene alternder Plattformen wie „Prepar3D“ irgendwann totlaufen würde. Nun aber investieren Jung und Alt gleichermaßen in hochmoderne Add-Ons, die dank Fotogrammetrie und weltweiter Streaming-Daten so realitätsnah sind wie nie zuvor.
PMDG selbst, so Randazzo, werde weiter wachsen: Man plane, das Entwicklerteam 2025 um rund 20 Prozent zu vergrößern. Ziel sei es, mehr Projekte parallel voranzutreiben, ohne Abstriche an Qualität zu machen. Dass PMDG dabei auch das enorme Potenzial neuer Marktgruppen – etwa von Konsolenspielern – erkennt, ist offensichtlich. Randazzo bezeichnet das Hobby als „lebendig wie nie zuvor“ und rechnet fest damit, noch in den kommenden zehn Jahren ein richtungsweisender Akteur am Markt zu sein.
Wer den kompletten, zweistündigen Podcast nachhören oder nachschauen will, hier das Video dazu:
Klasse, toller Beitrag! Er scheint zu polarisieren, aber ich schätze ihn, seine Beiträge und viel mehr die Produkte seiner Firma seit 20(?) Jahren.
Schließe mich der Bewertung des Beitrags an.
An die Sache mit der Polarisierung müssen wir uns wohl leider gewöhnen. Auch bei der Diskussion um MSFS2024 scheint es überwiegend schwarz oder weiß zu geben. Auch ich schätze die geschliffenen Wortbeiträge von RSR, die vielfach auch Informationen „zwischen den Zeilen“ enthalten und demzufolge auch nicht mit kurzen „Discord“- oder „X“ Posts zu vergleichen sind. Vielleicht macht sie das im heutigen Umfeld für viele suspekt.
Und was mein schwarz/weiß-Statement betrifft: auch wenn ich die 737 dann irgendwann für den ’24er zum x-ten mal bezahlt haben werde, weil ich sie seit ewigen Zeiten schätze, hoffe ich doch, dass insbesondere das Systemupgrade tatsächlich umfassend ausfällt, denn auch das kürzlich aktualisierte Navigationsmodell hat m.E. noch Potenzial, von der GSX Integration ganz zu schweigen. Und irgendein Alleinstellungsmerkmal wäre auch mal wieder nett. Grau halt.
Danke für das Zusammenfassen 🙂
Wenn man den aktuellen Zustand des 2024ers so mitbekommt, dann wird das erste PMDG-Produkt vermutlich dann fertig sein, wenn man den neuen Sim richtig gut nutzen kann 🙂 Bis dahin einfach den 2020er oder X-Plane 12 fliegen und glücklich sein!
Oder auf PMDG Produkte verzichten und ebenfalls glücklich sein. Unabhängig vom Simulator.
AS Produkte nutzen z. B. den A330. Unbeschreiblich das Glück dabei.
So sieht es aus👍. Und der MSFS ist dem neuen 2024 in keinster Weiser hintenangestellt. Ganz im Gegensatz damals zwischen P3D und MSFS. Als der rauskam, habe ich den P3D so gut wie nicht mehr angerührt, obwohl er so gut mit AddOns ausgebaut war. Aber der MSFS hatte mich so fasziniert, das ich die ersten Jahre ohne PMDG und Co. auskam. Nun aber ist es doch gar kein Thema mehr: will ich PMDG etc., starte ich den MSFS, für Fenix, Ini etc. nehme ich den neuen. Erfreuen tue ich mich an beiden.
Der fliegende Holländer am Ende irritierte mich dan doch 🙂