
Es gibt Interviews, die rauschen durch die Szene, und es gibt solche, denen man mehr Aufmerksamkeit widmen könnte. Und wer die wortschwangeren Ausführungen von PMDG-Chef Robert Randazzo kennt, der freut sich sicher mehr über Audio als über Text. Jetzt war Randazzo wieder auf YouTube zu sehen. Aber nicht auf dem eigenen Kanal, sondern als Gast bei JT von Sky Blue Radio. Das fast einstündige Gespräch zwischen Sky Blue Radio-Moderator und dem PMDG-Chef bietet dabei viel Bekanntes, aber auch viel neues. Was der Gründer der wohl bekanntesten Airliner-Schmiede der Flugsimulationswelt dort erzählt, ist nicht weniger als ein Blick hinter die Kulissen eines Studios, das sich immer wieder neu erfunden hat – und gleichzeitig an der Schwelle zu professioneller Trainingswelt steht.
Dabei beginnt die Geschichte weit vor dem jüngsten Hype um Microsoft Flight Simulator 2024. Randazzo erinnert sich an die Zeit, als PMDG noch Precision Manuals Development hieß, ein Ein-Mann-Betrieb mit einer Idee, die größer war als die damals verfügbaren Werkzeuge. Es war 1997, als er – halb Pilot, halb Techniker, ganz Enthusiast – ein Handbuch schrieb, weil niemand verstand, wie die neue DOS-747-Simulation funktionierte. Aus dieser Improvisation entstand ein Unternehmen, das heute Entwickler aus 14 Ländern vereint und in der Szene als Synonym für „Airliner auf Study-Level“ gilt.
Eine Boeing-Kooperation, die leiser begann, als sie klingt
Der vielleicht überraschendste Teil des Sky-Blue-Radio-Interviews dreht sich jedoch nicht um die 737 oder die 747, sondern um Boeing. Genauer: um einen Virtual Airplane Procedures Trainer, den Boeing gemeinsam mit Microsoft entwickelt – ein hochmodernes Ausbildungssystem, das künftig in Airlines weltweit eingesetzt werden soll.
Dass PMDG daran beteiligt ist, kommt nicht von ungefähr. Randazzo erzählt von seinen frühen Versuchen, Boeing schon 2005 für interaktive Bildschirmtrainer zu begeistern. Damals lachte man ihn aus, räumt er ein – die Technik war schlicht noch nicht bereit. Doch die Idee blieb. Und mit der Enterprise-Version des MSFS, an der Microsoft und Boeing seit 2019 arbeiten, wurde sie Realität.
PMDG liefert für dieses System einen kleinen, aber hochspezialisierten Baustein: Technologie zur prozeduralen Abbildung bestimmter Boeing-Muster. Details bleiben vertraulich, doch Randazzos Begeisterung ist unüberhörbar. Dass Piloten künftig auf dem Hotelzimmer an einem Laptop nicht nur Systeme pauken, sondern mit einem digitalen Zwilling arbeiten können, hält er für einen Paradigmenwechsel: Weniger Knöpfesuchen im Full Flight Simulator, mehr Fokus auf fliegerische Urteilskraft.
Dass PMDG damit erstmals sichtbar zwischen professionellen Trainingslösungen und der Consumer-Welt steht, könnte sich als wegweisend erweisen.
Die neue 737: keine Portierung, sondern ein neuer Anfang
Für die breite Flugsimulations-Community ist jedoch eine andere Nachricht entscheidend: PMDGs 737 für MSFS 2024 ist praktisch ein Neustart. Ein komplettes Rework, ein Version-4.0-Sprung, der den alten MSFS-2020-Code hinter sich lässt.
Der Grund ist so einfach wie konsequent: Die bisherige 737 ist dreieinhalb Jahre alt – und diese drei Jahre haben es in sich. Neue Plattform, neues Rendering, neue Sound-Engine, neue Tools. Randazzo sagt es offen: „Wenn wir sie einfach portiert hätten, wäre es ein altes Produkt in neuer Verpackung gewesen.“
Stattdessen hat sich PMDG für die radikale Lösung entschieden:
Neuentwicklung ohne Rücksicht auf 2020-Kompatibilität.
Das Ergebnis liest sich wie eine Wunschliste der Community:
- Komplett neues Cockpitmodell mit überarbeitetem Materialsystem, realistischeren Farben, feineren Animationen und Unterstützung des neuen Lighting-Stacks von MSFS 2024.
- Neu gestaltete Kabine mit hoher Interaktivität – inklusive Easter Eggs
- Vollständig überarbeitete Sound-Suite, entwickelt von einem Toningenieur mit tausenden Stunden realer 737-Erfahrung: mehrstufige Triebwerksgeräusche, realistische Außenabstrahlung, kontextsensitive Cockpitsounds.
- Ganzheitliche Architektur, die explizit nicht mehr an die Limitationen des 2020-Codes gebunden ist.
Besonders stolz wirkt Randazzo bei den Sounds. Interessant, angesichts der Sound-Diskussion die jüngst entstanden ist, als Boris seine Austausch-Sounds für die 777 veröffentlicht hat. In einer internen Testszene filmte ein Entwickler eine entfernte 737 beim Start. Randazzo beschreibt das Ergebnis so: „Es klang wie eine echte Aufnahme.“ Wer jahrelang kritisiert hat, PMDG klinge zu steril, dürfte sich hier wiederfinden.
Auch organisatorisch hat PMDG aufgeräumt: Seit Sommer arbeitet das gesamte Team ausschließlich an der 737, nachdem zuvor festgestellt wurde, dass parallel laufende Projekte die Entwicklungszeit unnötig in die Länge zogen. Das Resultat: Features, die eigentlich erst 2025 erwartet wurden, sind bereits fertig.
Und hier die Bestätigung, die sich schon auf Simbrief verfügbar Flugzeugprofile angedeutet haben: Die 737-800 soll noch dieses Jahr erscheinen, weitere Varianten folgen kurz darauf.
747: zwei Projekte, die sich gegenseitig jagen
Parallel zur 737 stehen zwei große Projekte im Raum: die 747-100 (Classic) und die 747-400. Beide sind deutlich fortgeschritten, allerdings in entgegengesetzlichen Stärken:
- Bei der 747-100 ist das Modell nahezu fertig, aber die Systeme hinken hinterher.
- Bei der 747-400 ist der Systemcode bereits weit gereift, doch das Modell hängt.
Randazzo rechnet damit, dass die gebündelte Entwicklerpower nach der 737 dazu führt, dass beide Varianten 2025 sehr schnell Form annehmen – möglicherweise sogar nahezu zeitgleich.
Ein PMDG, das wieder Spaß hat
Zwischen all den Zahlen und technischen Details zeigt sich im Interview ein überraschender Subtext: PMDG wirkt entspannter, spielerischer, selbstbewusster. Randazzo spricht davon, dass die letzten fünf Jahre „nicht besonders lustig“ waren – geprägt von Lernkurven, Toolproblemen, SDK-Fehlern, Strukturwachstum.
Jetzt jedoch scheinen sich die Dinge gedreht zu haben. Die Entwickler dürfen neben Systemtiefe auch Humor einbauen. Cookies fallen aus Regalen, Popkultur-Zitate verstecken sich in Schubladen, kleine Interaktionen sorgen dafür, dass das Flugzeug sich bewohnter anfühlt. Ein bewusster Schritt, um sowohl die alte Study-Level-Fraktion als auch die neue Generation von Simmern abzuholen, die aus der Gaming-Welt kommt. Aber auch keine Weltneuheit, schaut man sich die Augenzwinkern an, die andere Add-on-Hersteller in ihre Produkte bereits eingebaut haben.
Der Ausblick: Boeing bleibt der rote Faden
Zu weiteren Plänen äußert sich Randazzo zurückhaltend, aber eindeutig:
- 737 MAX bleibt gesetzt.
- Ein weiteres Boeing-Muster ist in Vorbereitung.
- Gerüchte über eine PMDG-757 dementiert er ausdrücklich.
Und PMDG wird präsenter sein: auf Events, in Streams, bei Releases. Nicht als unnahbarer Premium-Hersteller, sondern als Studio, das wieder Zeit hat zu atmen – und zu liefern. PMDG steht wohl an einem Wendepunkt. Die neue 737 ist nicht nur ein Produkt, sondern ein Neustart. Und die Boeing-Zusammenarbeit jetzt mehr als eine Randnotiz.
Für die Flugsimulation insgesamt gilt: Wenn die 737 so gut wird, wie Randazzo verspricht, dann steht dem nächsten großen Evolutionsschritt der Szene nichts im Weg. Und vielleicht klingt dann schon bald jedes Vorbeirotieren eines virtuellen CFMI-Triebwerks so überzeugend wie in Randazzos Testvideo. Erzählen wird er uns auf jeden Fall. Und dann hoffentlich wieder in einem Video.
Hier das Video mit Sky Blue Radio zu Nachschauen:

Offensichtlich hat man kein Rework betrieben, sondern natürlich das Rad komplett neu erfunden. Andernfalls wäre die Preisdiskussion auch nicht vertretbar, da muss man dann eine Argumentationsgrundlage als Basis haben….
Wie oft das schon von PMDG versucht wurde zu verkaufen und immer wider fanden sich dann doch Dinge, die daran zweifeln ließen…
Ätzend für den Geldbeutel fand ich, dass für jede Sub-Sub-Sub-Variante der 737 oder 777 immer der volle Preis zu berappen war, auch wenn man schon jeweils eine Variante im Hangar hatte und keinen Discount auf die weiteren bekam. (Man belehre mich gerne eines Besseren, wenn das schon jemals der Fall war).
Lediglich die 737-800 durch einen Aufpreis in den 2024er zu retten ist für mich okay, da ich PMDG schätze, ich 3 Jahre Spaß mit dem Flieger hatte und sie auch irgendwie Geld verdienen müssen, ob sie das Rad nun neu erfunden haben, oder nicht.
Wer aber mehr als eine Variante hat und für jede einzelne den 2024er Aufpreis zahlen muss, für den wird’s dann sicher schmerzhaft. (Wo sich dann wieder der Kreis schließt zum Sub-Sub-Sub-Varianten Vollpreis-Geschäftsmodell).
Vermisse die 737 auch sehr im 24er und hoffe das sie bald kommt. Einfach ein schön zu fliegendes Flugzeug mit dem perfekten Mix aus Automationen und manuellen Handlings.
Was ich mir nicht vorstellen kann, dass PMDG die Welt mit ihren Fliegen neu erfindet, dafür waren die Ankündigungen in den letzten Jahren zu vollmundig als das was am Ende dabei raus gekommen ist. Ich lasse mich aber auch gerne eines besseren belehren. So oder so ist und bleibt PMDG für mich aber ein Pflichtkauf. Und ohne die PMDG Flieger hätte ich mich noch zu FSX Zeiten auch nie in dieses Hobby so verliebt.
Das klingt ja toll, dass sie alles neu machen. So wie ja schon die FS 2020 Version kein Port der P3D Version war. Dann kann ich mich ja endlich auf die (versprochenen) Aufhübschung der Gear Bays freuen… oder… oder?! 😀
Ich freue mich riesig, dass die 737 noch dieses Jahr für den MSFS2024 erscheinen soll. Ich vermisse sie dort sehr. Wenn die TFDI MD-11 noch portiert wird und der Final Release vom SU4 gut wird (Beta ist ja durchaus vielversprechend), dann kann ich nahezu 1TB Speicherplatz freischaufeln und den 2020er nebst Add-Ons deinstallieren.
Der einzige kleine Wehmutstropfen bei den nativen 2024er Fliegern, die bis jetzt portiert wurden, ist die Inkompatibilität all der schönen Liveries, die man sich über die Jahre für den 2020er zugelegt hat. Da oftmals alte Liveries nicht von den ursprünglichen Machern konvertiert werden, muss man entweder selber ran die Arbeit oder abwarten bis das Angebot wieder das 2020er Niveau erreicht hat. Aber das ist freilich jammern auf hohem Niveau.
Bei TDFI ist es merklich still geworden. Sehr sehr sehr still. Tendenziell hab ich da keine große Hoffnungen mehr. Selbst das Update für die CE Besitzer hatte weder das Art Update noch die Triebwerke in Gepäck.
Da hast Du recht. Bis Juni erschienen noch nahezu monatliche Updates, dann wurde es sehr still.
Das letzte „Lebenszeichen“ (zumindest mir bekannte) ist vom 15. Oktober auf Ihrem Facebook-Account. Dort zeigen sie ein kurzes Video über das neue Außenmodell.
Hoffentlich war die ganze Arbeit nicht umsonst und sie kommen doch noch mit einer Überraschung um die Ecke.
Fände ich sehr schade, wenn das Projekt stirbt, denn ich finde nicht nur die MD-11 als solches sehr spannend, sondern auch den eigenen „Stil“ den TFDI dort gefunden hat in Sachen Cockpit-Ambiente, Sounds, etc. Ist nicht unbedingt High-End, aber eben erfrischend anders und eine willkommende Abwechslung zu PMDG, Fenix, u.s.w.
Das Letzte Update für die MD11 ist vom 27.10. Und auch auf dem Discord liest man das sie weiter am Arbeiten sind an der Maschine.
Wann und wie sie für den 24er kommt stand da aber auch nirgends, mir persönlich aber auch Buggy da ich den 24er nicht so mag.
Danke Dir Olli für die Info. 🙂
Freue mich, dass es offensichtlich weitergeht mit dem Projekt.
787 und 777X von PMDG wären der Hammer 🤤 .
Sein Wort in Gottes Ohren. Wenn die 737 komplett neuen Sound kriegt und hoffentlich auch ein neues Taxi-Verhalten (bisher war es ja immer so, wenn man den Controller zentriert hat, war sofort auch das Bugrad zentriert ohne Verzögerung), neue Flughpyhsik…das alles wäre schon stark.
Warum denn alles neu gemacht wurde, verstehe ich jetzt nicht ganz?Die PMDG FS2020er Version funktioniert sogar recht gut im FS2024 bis SU3, wenn man weiß wie und lässt sich gut fliegen.Es wäre trotzdem klug von Bestandskunden nicht den vollen Preis für die 2024er Version zu verlangen.Wie eben erwähnt funktioniert die alte Version ziemlich gut und das sollte erstmal erklärt werden bevor hier ein anscheinend neues Produkt angepriesen wird.