Don’t let me die, I want to fly!
Weltweit kaum noch im Inventar einer Luftwaffe zu finden, lässt Heatblur die F-4E Phantom II für den DCS wieder auferleben. Kaum ein anderes Modul für den Simulator aus dem Hause Eagle Dynamics, hat bisher so einen Hype in der Community verursacht, wie die Phantom.
Die Geschichte des „Nato-Diesels“
Die F-4E Phantom ist eine Weiterentwicklung des ursprünglich für die US Navy entworfenen zweisitzigen Überschalljagdflugzeugs McDonnell Douglas F-4 Phantom II. Die F-4E wurde primär für die US Air Force konzipiert und zeichnet sich durch bedeutende Verbesserungen gegenüber ihren Vorgängern aus, insbesondere durch die Integration einer eingebauten M61 Vulcan Gatling-Kanone, die ihre Kampffähigkeit im Nahbereich erheblich steigerte.
Mit ihrem Erstflug im Jahr 1967 brachte die F-4E mehrere technologische Fortschritte mit sich, darunter leistungsstarke Triebwerke, fortschrittliche Radarsysteme und eine verbesserte Avionik. Sie spielte eine bedeutende Rolle während des Vietnamkriegs und bewies ihre Vielseitigkeit in verschiedenen Missionstypen, von der Luftüberlegenheit bis hin zu Bodenangriffen.
Die F-4E war bis in die 1980er Jahre im aktiven Dienst der US Air Force und bleibt bis heute in verschiedenen Luftstreitkräften weltweit im Einsatz. Ihre robuste Konstruktion, hohe Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit machten sie zu einem der bekanntesten Vertreter der sogenannten 3. Generation von Jets.
Die F-4E Phantom spielte eine bedeutende Rolle in der deutschen Luftwaffe, wo sie als Exportversion unter der Bezeichnung F-4F Phantom diente. Die Bundesrepublik Deutschland beschaffte in den 1970er Jahren insgesamt 175 dieser Flugzeuge, um damit bspw. den F-104 Starfighter abzulösen. Die Phantom wurde in der Luftwaffe in verschiedenen Geschwadern geflogen und hatte somit eine Rolle als Abfangjäger, aber auch als Jagdbomber inne.
Durch die enorme Rußwolke, welche von den beiden J-79 Triebwerken erzeugt wurde, bekam die Phantom den spöttischen Namen „Nato-Diesel“. In den 90er Jahren wurde die Phantom noch einmal umfassend modernisiert und mit der AIM120, einem neuen Navigationssystem und dem leistungsfähigen AN/APG-65 Radar ausgerüstet. Obwohl ursprünglich nur als Zwischenlösung bis zur Einführung des Tornados beschafft, blieb die Phantom 40 Jahre im Dienst der deutschen Luftwaffe und wurde erst 2013 vollumfänglich vom Eurofighter ersetzt.
21.05.2024
Dieses Datum mag für viele DCS- User wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag an einem Tag sein. Nach der ersten Ankündigung im Jahr 2021 stieg der Hype um die Phantom gerade in den letzten Wochen ins Unermessliche. Ursprünglich schon für 2023 angekündigt, gab es entwicklungsbedingte Verzögerungen. Doch seit diesem besagten Tag heißt es wieder virtuellen Staub in die Atmosphäre pusten, frei nach dem Motto „Don’t let me die, I want to fly!“.
Double Ugly
Zugegeben, schön ist sie nicht gerade oder etwa doch? Daran scheiden sich die Geister. Eins steht aber fest, die Modellierung von Heatblur ist State of the Art. Was bei der Tomcat aus demselben Hause bereits Simulanten aus dem Häuschen und Grafikkarten zum Schwitzen brachte, wurde hier noch einmal deutlich verfeinert und realistischer gestaltet. Für die Erstellung des virtuellen Pendants wurden weltweit Phantoms mit einem 3D-Scanner vermessen und mittels Fotogrammetrie modelliert. Das daraus resultierende Ergebnis spricht Bände und sucht so seinesgleichen.
Doch nicht nur der Rumpf des 19 Meter langen Jets entzückt, auch die Texturierung und vor allem die Detaillierung der Flügel und Leitwerke sind eine Wucht! Wenn die Phantom geparkt ist, werden die Schubdüsen mit einem FOD- Schutz verschlossen, die Remove-Before-Flight-Anhänger wedeln im Wind und sogar die Helme der Piloten liegen auf dem Kabinenrand.
Neben dem Jet steht eine GPU, welche nicht nur Strom sondern auch Druckluft erzeugt. Dies ist für den Triebwerksstart relevant, auf welchen ich später noch eingehe. Die Tatsache, dass man zwischen der bordeigenen Leiter und einer externen wählen kann, ist doch schon beinahe selbstverständlich oder ? 😉
Dadurch, dass die Phantom ein Exportschlager wurde, hat Heatblur sich auch nicht bei den Liveries lumpen lassen. Insgesamt 70 (!) individuelle Lackierungen, darunter neun der deutschen Luftwaffe, werden mitgeliefert. Somit sollte für jeden Geschmack oder Nation etwas dabei sein.
Das Cockpit – oder sagen wir besser die Cockpits, wurden ebenfalls mittels 3D-Scan und Fotogrammetrie erstellt. Abgegriffene Schalter, Lackabplatzungen oder vergilbtes Gurtzeug: das Alter der Phantom ist merklich spürbar, aber genau das macht ihren Charme aus.
In der weiteren Entwicklung der F-4, wird noch ein besonderes und exklusives Feature hinzukommen: Heatblur führt als erster Entwickler ein, dass man den Piloten oder die Pilotin personalisieren kann. Ob mit Schnurrbart und orangen Overall im 70er Luftwaffen-Stil oder mit moderner Uniform und Kurzhaarfrisur – der Nutzer hat die Wahl. Auch die Variante des Helmes kann später ausgewählt werden.
Bilder sagen mehr als Worte, deshalb schaut einfach in die Galerie um einen noch besseren Eindruck zu erhalten.
Sounds
Da Sounds extrem wichtig für die Immersion in einem Flugsimulator sind, legt Heatblur auch darauf einen sehr großen Fokus.
Die Sounds der Phantom sind ein absoluter Hörgenuss. Im Cockpit hat jeder Schalter, jeder Knopf sein eigenes spezifisches Geräusch und man kann sogar Schalter nur am Hören identifizieren. Das nervtötende Piepen der AoA-Anzeige im Anflug, das Rumpeln von Fahrwerk und Klappen, oder der Kommentar von Jester: Der Sound ist eine Wucht!
Wucht ist übrigens auch das Stichwort, wenn die beiden Triebwerke vom Typ General Electric J79 hochfahren. Man kann förmlich erahnen, wie sich aus einem Kerosin- Luftgemisch pure Energie entwickelt. Der Leerlauf ist eher röhrend, während es bei Vollgas zu einem infernalischen Lärm kommt. Das Zünden des Nachbrenners ist dann noch das i- Tüpfelchen.
Die externe GPU hat auch ihren ganz eigenen Charakter. Angetrieben von einer Hubschrauberturbine, sorgt diese ebenfalls für ein Sounderlebnis. Wenn ihr die Soundkulisse einmal hören wollt, schaut euch unseren Stream an, den wir am Tag der Veröffentlichung übertragen haben.
Systeme
Heatblur ist bekannt für seine detaillierte Umsetzung von Systemen und deren Spezifika. Einzelne kleine Systeme haben einen Einfluss auf das große Ganze. Jedes Gerät hat eine spezifische Leistungsaufnahme und wirkt sich somit auf das Bordnetz aus. Dieser Sinn für Details macht aus einer normalen Umsetzung ein lebendiges Modell.
Beispielsweise wird auch das Hydrauliksystem durch ein Flüssigkeitsmodell simuliert. Somit wirken sich auch verschiedene Drücke etc. auf die Ruderbewegung aus.
Die restlichen Systeme der Phantom sind zu komplex um diese im Detail abzuhandeln. Heatblur hat jedoch schon vor Release das Handbuch veröffentlicht, damit sich der angehende F-4 Jockey damit vertraut machen kann.
Da die Phantom ein Mehrzweckkampfflugzeug ist, kann ein diverses Portfolio an Wirkmitteln angehangen werden. Im A2A-Bereich kann die Phantom mit einer Vielzahl an Raketen bewaffnet werden. Für den Nahbereich ist die AIM-9 Sidewinder verfügbar. Diese hitzesuchende Rakete gilt als Fire&Forget-Waffe, da sie nach dem Abschuss ihr Ziel eigenständig verfolgt. Als Waffe für größere Entfernung gibt es Derivate der AIM-7 Sparrow. Die Sparrow ist eine halb-aktive Rakete, das heißt sie bekommt ihre Zielinformationen vom AN/APQ-120 Radar übermittelt. Auch wenn die Phantom nicht gerade ein Dogfight-Wunder ist, so hat man sich ab der Variante F-4E dazu entschlossen, eine M61 Vulcan Bordkanone einzubauen, da die Lenkflugkörper recht unzuverlässig und teuer waren. Die Vulcan befindet sich direkt vor dem Bugfahrwerk und kann auch gegen weiche Bodenziele eingesetzt werden.
Für Angriffe gegen Bodenziele gibt es nahezu unzählige Möglichkeiten.
Die Phantom kann von einfachen MK81-83 , über diverse Streubomben bis hin zur lasergelenkten GBU12/24 Bombe aufmunitioniert werden. Der Abwurf kann sich dabei aber etwas schwieriger gestalten, da es keine CCIP Anzeigen oder ähnliches gibt. Für die lasergelenkten GBU Bomben besteht die Möglichkeit den AN/AVQ-23-Pave Spike Pod zu nutzen. Als Ergänzung dazu gibt es noch die TV- gelenkten Bomben vom Typ AGM-62 Walleye und der GBU-8.
Zusätzlich zur Bombenlast, kann die F-4 auch diverse gelenkte und ungelenkte Raketen tragen. Die ungelenkten FFAR Raketen sind im DCS den meisten Leuten bekannt, da diese von verschiedenen Plattformen abgeschossen werden können.
Die F-4 kann auch gelenkte Raketen vom Typ AGM-65 Maverick tragen. Diese sind in der Version A/B/D/G verfügbar und unterscheiden sich durch ihre verschiedenen Such- und Gefechtsköpfe. Der Abschuss der Maverick ist prinzipiell wie bei anderen Flugzeugen, der einzige Unterschied liegt darin, dass ein Schutzglas des Suchkopfes „weggesprengt“ werden muss, bevor die Maverick ein Ziel aufschalten kann.
Eine wichtige Rolle kam der Phantom als Wild Weasel zuteil. Dabei wird mit vier Flugzeugen die feindliche Luftabwehr zur Aufschaltung provoziert, um damit die Position zu ermitteln. Die F-4 kann zum Selbstschutz einen ECM- Pod tragen und zur Bekämpfung der Luftabwehr steht die AGM-45A Shrike zur Verfügung. Die Shrike wurde ab 1963 in Serie produziert und gilt als eine der ersten ARM ( Anti-Radiation-Missile) Waffen. Die Reichweite betrug nur ca. 10 nautische Meilen , somit muss man sehr nah an das Ziel heran.
WSO. Wizzo. Jester.
Das was FS2Crew für den zivilen Simmer ist, das ist Jester für den DCS. Erstmals mit der F-14 Tomcat von Heatblur eingeführt, wurde dieser stetig verbessert und mit neuen Features ausgestattet.
Mit der Phantom wurde Jester 2.0 vorgestellt. Dieser ist nun proaktiv unterwegs und kann anhand der aktuellen Flugsituation selbst gewisse Entscheidungen treffen. Darunter fallen z. B. regelmäßige Fragen, wie es um den Sprit bestellt ist, ob er das INS-Alignen soll oder ob wir bei diesem Flug sehr tief unterwegs sein werden. Jester bedient dabei nicht nur die Systeme des Backseaters, sondern hilft auch im normalen Flugbetrieb. Neben dem Beobachten des Luftraums und Bedienung des Radars, gibt er auch Callouts für die Höhe aus. Wenn es im Gefecht zu Schäden kommt, meldet er sich auch entsprechend mit der Schwere der Schäden.
Jester bedient auf Kommando auch das Funkgerät und kann Waypoints in das INS eingeben. Den Meisten von uns wird er jedoch bei den ersten Landungen mit seiner gewohnt schnippischen Art unterhalten. Sprüche wie „Die Landung war so hart, ich kann meinen Bart als Augenbraue verwenden“, sorgen für einen Gefühlsmix zwischen grinsen und der Suche nach dem Hebel für den hinteren Schleudersitz.
Unterstützung
Ein immer wichtiger werdender Teile eines Produktes ist das Handbuch. Gerade im DCS sind die Fluggeräte meist so umfangreich und komplex, dass man ohne eine Handbuchstudium das Modul kaum in seiner vollen Güte nutzen kann. Diese Tatsache trifft auch auf die Phantom zu. Bereits vor Release wurde das Manual online veröffentlicht und kann dafür benutzt werden, um sich einen ersten Eindruck über die Maschine zu schaffen. Doch diese Methode ist eher sperrig zu benutzen. Heatblur wäre aber nicht Heatblur, wenn man auch hier keine innovativen Wege gehen würde.
Bisher hat noch keine andere Entwicklerschmiede es geschafft, das Handbuch direkt in den DCS zu integrieren. Mit einem Druck auf die „M“ Taste, öffnet sich das Handbuch und man kann quasi „on the fly“ nachlesen und die Systeme studieren. Klingt alles erst einmal banal, doch dieses Feature war ein Grund für die lange Entwicklungszeit des Moduls. Aber ein einfaches Öffnen des Manuals war den Entwicklern rund um Nicholas Dackard zu einfach: ein besonderes Feature ist die Möglichkeit, dass man die „M“ Taste gedrückt hält und dann auf einen Schalter oder Knopf drückt. Das Handbuch öffnet sich dann im passenden Kapitel und man braucht nicht lange zu suchen. Ein wirklich sehr durchdachtes und innovatives Feature!
Fazit
Auch wenn die F-4E Phantom von Heatblur noch im Early-Access ist, so ist das Modul deutlich weiter als manch andere Module es jemals werden. Der Blick für Details, die Liebe bei der Modellierung und die schnippischen Kommentare von Jester.
Erhältlich ist die Phantom direkt bei Heatblur, im ED Shop oder bei Steam für knapp 80$.
Was bleibt noch zu sagen?
Egal ob Double Ugly, Luftverteidigungsdiesel oder Old Smokey: kaum ein anderes Flugzeug hat mich in letzter Zeit so in den Bann gezogen wie die Phantom. Das Review hätte man auch auf zwei Wörter abkürzen können:
Etwas Korrektur:
Die Phantom wurde nicht vollständig vom Eurofighter ersetzt. Die Aufgaben des Jagdbomber hat der Tornado inne.
Der Eurofighter hat primär die Abfangjäger Rolle übernommen
Ich meine (bin mir ziemlich sicher) es war nur eine Phantom die gescannt wurde, nicht mehrere
Ein super Review das sicher viel Arbeit gemacht hat und selbst die 80€ sind mehr als in Ordnung für das was heatblur da abliefert. Wenn ich an die PMDG Flugzeuge im P3D denke für 120€, dann ist die F4 ein Spotpreis für das was abgeliefert wird
Tobias, Danke für dein Feedback. Mit der Rolle des Eurofighters gebe ich dir Recht, obwohl der Eurofigher nach und nach immer mehr für den Jabo Einsatz genutzt wird. Bzgl. des Scannens: das war die Aussage der Entwickler, dass mehrere Phantoms weltweit gescannt wurden.
Das wohl jetzt technisch beste Modul in DCS! Daran werden sich zukünftig alle Module messen lassen müssen. Daher ist der Preis auch mehr als Gerechtfertigt! Kaufempfehlung für alle die in DCS unterwegs sind, aber auch für alle anderen!
Tolles Review Philipp. Vielen Dank für deine fundierte Meinung zur F4. Ich überlege schon ewig dem DCS eine Chance zu geben aber meine Zeit ist einfach zu knapp bemessen und ich denke, wenn man hier irgendwas benötigt, dann ist es ausreichend Zeit.
Beste Grüße