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Mächtige Regenwälder, majestätische Gipfel, endlose Felder und quirlige Städte. Washington ist ein bemerkenswert vielfältiger Staat, der nicht nur wegen der Besichtigung einer gewissen roten Scheune eine Reise wert ist. Die vielen Wahrzeichen, Reservate und Nationalparks laden zum verweilen, staunen und – nicht zu letzt – auch zum Lernen ein. Mit TrueEarth Washington hat der pazifische Nordwesten der USA von Orbx eine moderne und zeitgenössische Neuauflage erhalten, die sich unser Rezensent Tom ausgiebig angeschaut hat.

TrueEarth: Ein Rund­um-sorg­los-Pa­ket

TrueEarth debütierte im Jahr 2018 mit der Veröffentlichung von TrueEarth Netherlands HD. Die neue Produktreihe brachte erstmals fotorealistische Texturen für ganze Regionen kombiniert mit passendem Autogen und POIs samt innovativer Platzierungstechnik, modernen Beleuchtungseffekten und sog. Cityscapes. TrueEarth ist, so beschreiben es die Entwickler selbst, ein Evolutionsschritt, der auf den bisherigen Orbx-Produkten aufbaut und ihre Features vereint.

TrueEarth is the name that we will be giving to our new line of photoreal region products. An ORBX TrueEarth scenery will combine the best features found in existing Region products, with the added benefit of full photoreal terrain.

Das Erstlingswerk der TrueEarth-Familie hatte allerdings einen schweren Start. Obgleich der Umfang und die Qualität der Flächenszenerie mit viel Lob bedacht wurde, kritisierten viele Nutzer die mangelhafte Performance, die auf hohen Einstellungen selbst oberklassige Systeme in die Knie zwang. Auf die Niederlande folgte Großbritannien in mehreren Teilen, bevor TrueEarth im Jahr 2020 schließlich über Europa hinauswachsen sollte.

Mit Washington ist die neue Produktreihe nun in Nordamerika angekommen. Oregon und Kalifornien komplettieren die Westküste der Vereinigten Staaten und in X-Plane steht bereits seit längerem Florida als TrueEarth-Umsetzung zur Verfügung. Weitere Staaten sind bisher zwar nicht angekündigt, es ist jedoch gut möglich, dass auch Alaska und die Rocky Mountains früher oder später noch mit einer Neuauflage bedacht werden. In diesem Review steht Washington exemplarisch für die drei Westküstenstaaten der TrueEarth-Reihe. Sie wurden annähernd gleichzeitig veröffentlicht, weisen nahezu identische Features auf und basieren auf einem gemeinsamen Entwicklungsstandard. Zwischen den Produkten gibt es sicher lokale Abweichungen, ein Großteil der Erkenntnisse dieser Rezension können aber ebenso auf Oregon und Kalifornien projiziert werden.

TrueEarth Washington kostet derzeit 33,34€ und ist ausschließlich bei Orbx erhältlich. Dort bewerben die Entwickler auch die diversen Features der über 53 Gb großen Szenerie:

Für Washington verspricht uns Orbx:

  • 172,428 km² feinsäuberlich korrigierte Fotoszenerie
  • 944 3D POIs
  • 332 platzierte Bäume
  • 4.5 Millionen Gebäude in korrekter Höhe und Position
  • Cityscapes für Seattle, Bellevue, Victoria und Tacoma
  • Individuelle Gebäude in Everett, Olympia, Spokane, Kennewick und Yakima
  • VFR Landmarken wie Kirchen, Schornsteine, Stadien, Brücken oder Kraftwerke
  • Ultra-HD 10-Meter Mesh
  • Wassermaske für Küste, Seen und Flüsse
  • Sommer-Satellitenbild mit Nachtdarstellung
TrueEarth Washington lässt sich über Orbx Central übrigens wahlweise direkt im Simulatorverzeichnis oder außerhalb installieren. Ist die Installation abgeschlossen steht den Abenteuern zwischen Meer, Bergen und Feldern nichts mehr im Wege.

Washington: der immergrüne Staat

Washington ist in den USA bekannt als The Evergreen State. Die dichten Wälder und die gesäumten Hänge der Kaskadenkette weisen einen hohen Anteil an Nadelbäumen auf, weswegen die Landschaft auch im Winter durch vielfältige Grüntöne geprägt ist. TrueEarth schafft es vor allem durch die Massen an Autogen-Bäumen diese Charakteristik authentisch nachzubilden. Die Regenwälder der olympischen Halbinsel sind dicht bewachsen und auch die Kleinstädte und Siedlungen sind von viel Grün gesäumt. Hier und da findet man immer wieder einmal Bäume im Wasser oder Häuser, die in der Luft hängen. Die Anzahl der Platzierungsfehler hält sich allerdings in Grenzen und stört das Gesamtbild nicht wirklich.

Die Gipfel der Kaskaden

Neben den dichten Wäldern wird die Landschaft in Washington vor allem von Bergen dominiert. Ihr höchster Gipfel, Mount Rainier, wird in der Region gemeinhin als The Mountain – der Berg bezeichnet. Er thront mit über 4.400 Metern weit über den übrigen Erhebungen der Kaskadenkette und ist auch aus hunderten Kilometern Entfernung noch deutlich zu erkennen. Mount Baker, Glacier Peak und Mount Adams sind weitere, erwähnenswerte Gipfel, die deutlich über 3.000 Meter über dem Meeresspiegel liegen. Im Süden schließen sich außerdem Mount St. Helens und Mount Hood an, die jedoch bereits zum Staatsgebiet von Oregon gehören.

TrueEarth bringt ein feingliedriges, sowie komplexes Höhenmodell mit, das die markanten Felsformationen durchaus ansehnlich wiedergibt. In den Bergregionen zeichnet sich darüberhinaus auch die verwendete Fototextur aus. Eine weichgezeichnete, grüne Bodengrundierung sucht man hier zum Glück vergebens. Vielmehr zeigen die Kaskaden nun auch in Prepar3D ihren schroffen Fels, die kahlen Bergkämme, ihre mächtigen Gletscher und verwundenen Gebirgsflüsse.

Felder soweit das Auge reicht

Östlich der Kaskaden weichen die hohen Berge zunächst dem schroffen Flussbett des Columbia Rivers, bevor eine gewaltige Hochebene mit weitläufigen Feldern die Landschaft bestimmt. Auf der Fototextur ist der harsche Wechsel zwischen fruchtbarem Land und blankem Fels eindeutig erkennbar. Grundsätzlich weist die Textur eine gute Qualität auf und verfügt über eine ausgewogene Farbvielfalt. Sie ist darüber hinaus sehr passend mit dem Höhenmodell und Autogenobjekten abgestimmt. Aus nächster Nähe zeigen sich hier und da Unschärfen, insgesamt lässt die Fototextur bei einer Szenerie in diesem Umfang jedoch nur wenige Wünsche offen.

In den Straßen von Seattle

TrueEarth umfasst für ausgewählte Städte detaillierte Cityscapes, die über individuelle Gebäude und einige kleinere Details verfügen. In Washington sind neben Seattle und Tacoma auch Bellevue und Victoria mit Cityscapes ausgestattet. Darüber hinaus gibt es Details in den Innenstädten von Everett, Olympia, Spokane, Kennewick und Yakima.

Seattle ist als größte Stadt des Staates sehr umfangreich mit vielen Gebäuden, Kränen am Hafen, den Stadien und bekannten Sehenswürdigkeiten wie der Spaceneedle und dem Riesenrad ausgestattet. Die Modelle sind allesamt sehr gut konstruiert und mit passenden Texturen versehen. Während mir die Innenstadt sehr gut gefällt, bin ich vom benachbarten Hafenbereich enttäuscht. Es gibt diverse Gebäude, die falsch platziert sind. Einige stehen im Wasser, andere gehören schlichtweg nicht hierher. So etwa große Bürogebäude oder Parkhäuser im Containerterminal. Letzteres ist leider nur aufgrund der Fototextur für Ortsunkundige zu erkennen, denn die großen Blechboxen sucht man als 3D-Modell vergeblich. Auch Schiffe fehlen gänzlich.

Es verwundert dann doch etwas, dass 40 Kilometer südlich, im kleineren Hafen von Tacoma diverse Schiffe zu finden sind. Allerdings stören auch hier unpassende Gebäudekomplexe die Authentizität des Hafenbereichs. Die markanten Gebäude der Stadt, wie etwa die Veranstaltungshalle „Tacoma Dome“ oder das Glasmuseum mit seiner trichterförmigen Dachkonstruktion, die an die nahen Berge erinnert soll, sind wie auch in Seattle überzeugend umgesetzt und haben viel Wiedererkennungswert.

Mir persönlich ist der Unterschied zwischen Städten mit dedizierter Cityscape und solchen, die mit individuellen Gebäuden und Details ausgestattet wurden nicht ganz klar. So ist auch Spokane (keine Cityscape) durchaus ansehnlich umgesetzt und gut wiederzuerkennen. Auch abseits der Städte gibt es dank der zahlreichen POIs immer wieder Orte, die man leicht der Realität zuordnen kann. So ist beispielsweise auch der Grand Cooly Dam umgesetzt.

Aus großer Höhe

Bei Produkten wie der TrueEarth-Reihe stellt sich vielen Simmern die Frage ob eine Anschaffung überhaupt lohnenswert ist, wenn man primär im IFR-Cockpit von PMDG, Maddog, FSLabs oder ähnlichen unterwegs ist. Die Details des gesamten Staats sind im Anflug auf Seattle oder Everett kaum von Bedeutung. In erster Linie ist das direkte Flughafenumfeld interessant, die vielen POIs, das exakte Mesh und das passende Autogen interessieren nur beiläufig. Dennoch: Das abgestimmte Gesamtpaket führt im Anflug bereits in größerer Höhe zu einem erheblichen Wiedererkennungsfaktor gegenüber OpenLC NA oder Orbx Global. Für den einzelnen Abstecher nach Washington lohnt sich eine Anschaffung sicher nicht, wer aber regelmäßig Flughäfen in einer der TrueEarth Regionen anfliegt, wird den Unterschied einer fotorealistischen Darstellung zu schätzen wissen.

Das Zusammenspiel mit Anderen

TrueEarth verträgt sich sehr gut mit der bekannten Flughafenszenerie aus dem Hause Drzewiecki Design. Die Seattle Airports lassen sich ohne Probleme gemeinsam mit der Orbx Szenerie installieren und fügen sich gut in die Landschaft ein. Leider gibt es bisher keine Möglichkeit Drzewieckis Stadtszenerie von Seattle einzubinden. Sie ist meiner Meinung nach besser gelungen als die mitgelieferte Cityscape, welche sich aber nicht deaktivieren lässt, um Raum für eine Drittszenerie zu lassen. Schade!

Abseits von TrueEarth nutze ich in Nordamerika OpenLC NA, ebenfalls von Orbx. Am Übergang der beiden Szenerien sind Straßen und Flüße zwar recht gut aneinander angepasst, durch die unterschiedlichen Farben und den Wechsel von Landclass auf Fototextur entsteht trotzdem ein scharfer und extrem markanter Übergang. Er ist besonders aus größer Höhe im Anflug mit einem Verkehrsflugzeug auffällig.

Ein ganzes Jahr lang TrueEarth

Die Winter in Seattle sind meist sehr mild. Schnee fällt kaum und, wie Eingangs erwähnt, bleiben die Wälder auch in der kalten Jahreszeit weitläufig grün. Dafür verändern sich Felder und Wiesen: Im Frühling sind bunte Blüten zu bewundern, im Herbst weichen reichhaltig bestellte Felder einer braunen Einöde. Leider müssen wir in TrueEarth auf saisonale Unterschiede verzichten. Orbx gesteht in der Featureliste von TrueEarth durch Euphorismen relativ geschickt eine große Einschränkung ihrer Fotoszenerie ein: Sie bietet lediglich ein Sommersatellitenbild.

Zwar kann TrueEarth nicht mit einer überzeugenden Umsetzung der Jahreszeiten punkten, dafür zeigt die Orbx-Szenerie jedoch im Laufe der Tageszeiten Stärken. Vielfältige und abwechslungsreiche Lichteffekte beleuchten die Straßen und Häuser des Staates. Sie sind akkurat verteilt, sodass auch bei Nacht Siedlungsstrukturen, Straßenzüge und sogar bestimmte Ortsteile klar erkennbar sind. Abseits des typischen Schachbrettmusters finden sich in den Vorstädten die Straßenzüge verschnörkelter Wohnanlagen und in den Industriegebieten sind grell erleuchtete Park- und Lagerflächen zu finden. Besondere Gebäude wie Century Link Field oder Tacoma Dome haben zudem dem Vorbild entsprechende Lichteffekte erhalten.

Und die Performance?

In Sachen Ablaufgeschwindigkeit hat mich TrueEarth Washington etwas enttäuscht. Über den Weiten der Felder oder inmitten der Kaskaden gibt es aus nachvollziehbaren Gründen wenig Probleme. Hier lässt sich kaum ein Unterschied zur Standardszenerie feststellen. Merklich zu schaffen macht dem System allerdings die Darstellung der Cityscapes. Im Anflug auf Sea-Tac habe ich mit der PMDG 747 aus Frankfurt kommend zwischen 23 und 28 Bilder pro Sekunde beobachtet. Das ist zwar grundsätzlich ein guter Wert, ohne TrueEarth, stattdessen mit Drzewieckis Seattle City, erreiche ich allerdings deutlich über 30 Fps.

Seit Prepar3D v5 ist neben der Ablaufgeschwindigkeit auch die Speicherauslastung wieder ein Thema: TrueEarth Washington nimmt aufgrund der vielen Objekte und der zugrundeliegenden Fotoszenerie einen nicht zu verachtenden Anteil des verfügbaren Grafikspeichers ein. Zugegeben, meine Szenerie- und Autogeneinstellungen sind nahezu ausschließlich am Anschlag, dennoch fordert TrueEarth Washington einen merklichen Mehranteil an VAS. Beim Start von Drzewieckis Seattle/Tacoma in der PMDG 747 zeichnete Prepar3D bereits eine Speichernutzung von 5,5 Gb auf.

Fazit

Alles in allem ist TrueEarth Washington eine gelungene Veröffentlichung. Man erhält ein gut abgestimmtes Komplettpaket, das den Staat in seiner Vielseitigkeit ziemlich gut nachbildet. Besonders die Berge und Felder konnten bei mir persönlich überzeugen, aber auch die gut ausgestatteten Städte und die stimmige Nachtbeleuchtung haben mich nachhaltig begeistert. Leider ist die Szenerie für den reinen VFR-Gebrauch zu ressourcenhungrig. Speziell für Seattle gibt es zudem mit der Umsetzung von Drzewiecki Design eine, in meinen Augen, detailliertere und atmosphärischere Alternative.

Letztendlich werden mit TrueEarth Washington, wie auch mit den übrigen Staaten in der TrueEarth Reihe, die Piloten glücklich, die ortskundig sind, sich im Sichtflug an bekannten Orten und Gebäuden erfreuen und die markante Landschaft erkunden möchten.

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