Ihr liebt Flugsimulation.
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Es gibt Add-ons, die den Puls steigen lassen, und solche, bei denen man sich erst mal fragt: „Sky Simu…wer?“ Sky Simulations ist eine dieser Entwicklerbuden, die schon seit Jahren im erweiterten Orbit der Flugsim-Community kreisen. Seit FS9-Zeiten bringen sie Umsetzungen klassischer Flugzeuge auf den Markt, meist mit Fokus auf seltenere Typen wie die MD-11, MD-80 oder eben die DC-9. Die Meinungen dazu schwanken oft irgendwo zwischen „endlich mal ein Exot!“ und „hm, sieht aus wie 2008“. Kann Sky Simulations mit einer Umsetzung der McDonnell Douglas DC-9-Serie für den Microsoft Flight Simulator vielleicht doch überraschen?

Das reale Vorbild

Ich liebe Alteisen. Sollte ja bekannt sein. Und der kleine Zweistrahler gehört bestimmt dazu. Die DC-9 war damals McDonnell Douglas’ Antwort auf den wachsenden Bedarf nach Kurz- und Mittelstreckenjets in den 1960er Jahren – und wurde zu einem der erfolgreichsten Jetliner ihrer Zeit. Der Erstflug fand 1965 statt, der Linienbetrieb begann kurz darauf mit Delta Air Lines. Mit ihrer charakteristischen T-Leitwerksform, den am Heck montierten Triebwerken und dem niedrig liegenden Rumpf war sie speziell für kleinere Flughäfen mit begrenzter Infrastruktur ausgelegt – Self-Service per Air Stairs inklusive.

Im Laufe ihrer Entwicklung entstanden zahlreiche Varianten – vom kurzen DC-9-10 bis hin zur verlängerten -50er Serie, auf die später die MD-80/90-Serie und letztlich ja die Boeing 717 folgten. Die DC-9 wurde von Airlines auf der ganzen Welt geflogen – von TWA, KLM, Swissair, Finnair bis hin zu regionalen Betreibern in Südamerika oder Afrika. Heute ist sie im Passagierdienst weitgehend verschwunden, aber einige Frachterversionen kurven noch in Alaska, Südamerika oder in Kenia durch die Lüfte. Wer also heute eine DC-9 fliegt, fliegt ein echtes Stück Jetliner-Geschichte – und ein Flugzeug, das auf Pilotenhandwerk setzte, nicht auf Automatisierung – auch wenn es natürlich zahlreiche Nachrüstungen gab.

Der virtuelle Nachbau

Sky Simulations sind sicher keine Experten für Marketing, denn relativ unauffällig ist das Add-on vor mehreren Monaten erschienen. Die DC-9 von Sky Simulations kostet 58,31 € und ist derzeit über SimMarket und Aerosoft erhältlich. Vielen Dank an Aerosoft für die Bereitstellung der Review-Version, übrigens. Das Paket ist sowohl für MSFS 2020 als auch MSFS 2024 ausgelegt – getestet wurde hier aber ausschließlich in der neuesten Simulatorversion. Übrigens: Der Entwickler ist aktiv dran, die Maschine stetig zu verbessern – ein erstes Update kam kurz vor der Erstellung dieser Review in die Öffentlichkeit.

Zum Lieferumfang gehören ein umfangreiches Handbuch, eine Takeoff-Speed-Tabelle für alle Varianten sowie eine klassische Checklist im PDF-Format. Die Umsetzung enthält sowohl die DC-9-10 als auch die DC-9-30, jeweils als Passagier- und Frachterversion – mit zahlreichen Liveries von klassischen Betreibern wie TWA, Finnair oder Alitalia bis zu Frachtgesellschaften wie DHL oder Everts Air Carfo. Besonders erfreulich: Für 2024 gibt es bereits zusätzliche Bemalungen auf Flightsim.to – allerdings funktionieren ältere 2020er Liveries nicht im neuen Sim nicht reibungslos. Die Installation ist natürlich entsprechend einfach, ein Ordner ist danach im Community-Ordner zu finden, inklusive PDFs.

Außen hui, aber… naja

In der heutigen Welt der mundgeblasenen, im Windkanal optimierten Flugzeugdesigns stechen Vintage-Modelle natürlich raus. Globige Nase, unförmige Wings und die Triebwerke am Popo – das macht die DC-9 erst schön. Das Außenmodell der Sky-Simulations-Umsetzung ist, sagen wir es freundlich, nicht auf dem Niveau aktueller Top-Add-ons. Details sind oft grob, das Modell wirkt altbacken. Die Animationen – etwa für Reverser, Klappen oder Speed Brakes – sind funktional, aber nicht besonders filigran. Dafür ist die Umsetzung insgesamt stimmig, und klassische Details wie die animierte Airstair, die Frachttüren oder Chocks sind über ein EFB im Papierformat steuerbar. Eine GPU kann virtuell zugeschaltet werden, ist allerdings als 3D-Modell nicht vorhanden – man muss sich also mit Funktion statt Sichtbarkeit begnügen. Anders bei der Air-Start-Unit, die ist tatsächlich am Heck der Maschie sichtbar. Auch das Fahrwerk ist in seiner Detailtiefe annehmbar, aber irgendwie wirkt das ganze 3D-Design, als ob es in einer Low Poy P3D-Zeit entstanden ist. Im Großen und Ganzen passt das 3D-Modell aber schon, es ist in sich stimmig und wer nicht mit der Kamera ultra nah hinfährt, kann mit dem altbackenen 3D-Design durchaus zurechtkommen.

Uhrenladen aus Anno dazumal

Während das Außenmodell natürlich für Museumsfeeling und Screenshots da ist, ist der eigentliche virtuelle Arbeitsplatz viel wichtiger. Aber auch hier: Im Cockpit geht es schlicht zu. Die Texturen sind einfach, wirken teilweise steril bzw. extrem niedrig aufgelöst. Klar, ich brauch keine VRAM-zerstörenden 16K-Texturen, aber ein bisschen Detail weg von Pixelmatsch sollte im heutigen MSFS schon drin sein.

Dennoch ist vieles animiert und klickbar – und das macht den Charme dieser Umsetzung auch ein bisschen aus. Die Schalter reagieren direkt, oft etwas hastig, aber mit fast schon mechanischer Präsenz. Die Scheibenwischer funktionieren, die Sonnenblenden lassen sich verschieben, Cockpitfester öffnen, und auch die Armlehnen kann man wegklappen – kleine Details, die das VC trotz seines Alters sympathisch machen, aber auch einfach Standard sind.

Wer will, kann sogar durch die animierte Cockpit-Tür in die modellierte Kabine spazieren. Hier lässt sich auch die Tür zur Hecktreppe öffnen – ohne, dass ich eine Möglichkeit gefunden habe, die Einstiegshilfe am Heck tatsächlich zu öffnen.

Die Kontrolle der Türen, Chocks, Pylons, Türen und vorderen Airstair bekommt ihr über eine simple EFB, die sich als zusammengefaltetes Papier am Pedestal befindet und von dort per Clickspot ans Fenster gebracht werden kann. Kein modernes EFB, kein Tablet, kein Schnickschnack – aber eben auch kein Blender. Hier wurde klar priorisiert: Funktion vor Schönheit – ein bisschen Vintage-Look.

Der SimBrief-Plan lässt sich laden, auch wenn die Darstellung etwas chaotisch ist. Sehr gelungen ist das Loadsheet-System samt voll integrierter Weight & Balance-Tabelle. Beladung, Passagieranzahl und Center of Gravity lassen sich direkt einstellen. Wichtig ist auch die Trimtabelle für den Takeoff – ohne die läuft hier nichts. V-Speeds müssen allerdings manuell aus dem beiliegenden PDF abgelesen werden.

Ein FMC sucht man hier vergeblich – zu Recht. Die DC-9 wird geflogen wie in den Sechzigern: mit VOR-to-VOR, DME und Radialen. Das verlangt vorausschauende Planung und aktives Navigieren. Tooltips helfen dabei, den eingestellten Vertical Speed oder Modus zu erkennen – denn vieles passiert ohne Anzeige oder Feedback.

Ein kleines Highlight ist vielleicht der THRUST COMPUTER im Cockpit, der je nach Flugphase die erlaubten EPR-Limits anzeigt – natürlich ohne Autothrust. Der Gashebel bleibt also in eurer Hand, samt all dem Feintuning, das dazugehört. Komisch hier: Am Pedestal findet sich ein Autothrust-Hebel. Dieser ist allerdings ohne Funktion. Vielleicht wurde damals im Zusammenspiel mit dem Thrust-Computer der Schub gesetzt?

Systemtiefe vorhanden

Die große Überraschung steckt dann doch hinter den Schaltern: Die Systeme sind deutlich tiefgründiger, als das äußere Erscheinungsbild vermuten lässt. Die Hydraulik, die Elektrik, die Treibstofflogik – alles ist modelliert und funktioniert weitgehend realistisch. Die APU läuft mittlerweile stabil, nachdem sie in der Release-Version noch etwas zickig war. Auch die berühmten Crossbleed-Hebel hinten am Pedestal sind voll funktionsfähig.

Das Overhead zeigt in seiner Logik, dass es die Mutter aller Maddogs ist – allerdings muss hier zusätzlich die Cruise Altitude eingestellt werden, damit die Kabinendruckregelung korrekt arbeitet. Auch das Ignition-Panel ist hier noch ein bisschen anders. Schön auch: Sind die Packs an, starten die Triebwerke nicht – die Triebwerke brauchen eben Luft.

Der Autopilot ist, wie es sich gehört, ultra spartanisch und auch im Flug der pure Pain in the Ass: HDG, VOR/LOC, Vertical Speed und IAS Hold sind verfügbar. Nervig: Er reagiert nicht auf Standard-Sim-Variables, was ihn in Cockpit-Setups zur Scroll-Orgie macht. Sein Platz ganz mittig auf dem Pedestal macht ihn zudem ergonomisch herausfordernd – wer den Kurs ändern will, muss schon mal die virtuelle Sitzlehne verlassen.

Fordernder Flug

Der erste Flug war… fordernd. Und der dritte, vierte und zehnte Ausritt auch. Nicht, weil das Flugzeug schlecht wäre – sondern weil man es erst mal verstehen muss. Und damit meine ich nicht den Autopilot, sondern die Flugphysik dieses Biestes. Die Trimmung ist empfindlich, das Höhenruder (MSFS-typisch) viel zu sensibel, der Schub im oberen Bereich nur schwer exakt dosierbar.

Beim Take-Off ist erst mal Vorsicht angesagt. Wer sich an den Thrust-Vorschlag des Computers hält, wird die ganze Bahn brauchen. Und dahinter noch die Auslaufzone, zwei Maulfwurfhügel und evtl. noch den Schrebergarten hinterm Zaun. Zwar ist hier ab 100 Knoten ein Wheelie drin, aber irgendwie will die Maschine nicht ausm Quark. Verschiedenste Trimtests, Flap-Settings etc. lassen hier nur ein Fazit übrig: Vollgas, liebe Freunde der Sonne.

ie DC-9 steigt nach dem Abheben dann wie eine Rakete, beschleunigt auch bei hoher Beladung extrem gut – hier weiß ich nicht, ob vielleicht das Gear einfach viel zu viel Drag erzeugt. Allgemein geht nach dem Take-Off der Stress los: Denn jetzt will man sich von VOR zu VOR hangeln und dabei aber drauf achten, dass die Maschine keine Kapriolen schlägt. Denn der eine oder anderen Turn führt schon zu einen Vertical Speed von -1000 fpm, obwohl der AP hier eigentlich auf +2000 gestellt war. Auffallend hier: Die absolute Party der Trimanzeige, die wild auch mal in die hinteren Grenzbereiche wandert und dann am Anschlag ist.

Im Anflug ist Fingerspitzengefühl gefragt: Trimmung, Speed Management, ordentlich Schub – die Maschine verlangt aktive Kontrolle. Sie verzeiht keine Passivität, hält einen dafür aber immer beschäftigt. Nase 10 Grad in den Himmel und trotzdem mit -1000 Fuß die Minute sinken? Kein Problem! Klar, die DC-9 ist vom Design her nicht gerade der Traum eines Aerodynamikers, aber die Sky Simulations bringt euer Muscle Memory nochmal auf eine neue Challenge, weil normale Instinkte hier nicht mehr reichen. Und – well, es bedarf viel Übung und Einstellung der Achsen, bis das Flugzeug so fliegt, dass es Spaß macht und nicht das Gefühl vermittelt, dich jedes Sekunde umbringen zu wollen.

Die Navigation funktioniert dann durchaus gut – die Maschine folgt dem Kurs auf eingedrehte VORs, allerdings scheinen mir am RMI der Co-Piloten-Seite die Schalter falsch verdrahtet. Naja, egal – wichtig nur: Der AP folgt immer nur der VOR-Frequenz von NAV1, also hier ein bisschen Workaround mit Heading-Bug mitbringen, wenn die Station zu wechseln ist.

Geräusche, kein Sound

Der Sound ist ein zentraler Teil der Immersion – und hier offenbart die DC-9 leider ihre größte Schwäche. Die Cockpitgeräusche klingen wie aus einem alten MP3-Archiv, mit teils nervig lauten Schaltern und schlecht ausbalancierten Samples. Die Grundatmo wirkt wie eine Endlosschleife – was sie vermutlich auch ist. Mehr Geräusch, kein Sound.

Der Triebwerksstart klingt unzusammenhängend, mal zu laut, mal zu leise – insgesamt wenig realistisch. Überraschend positiv dagegen: Der Startlauf beim Take-Off. Das Grollen und Dröhnen der JT8D-Triebwerke klingt satt und überzeugend – da kommt kurz eine Mini-Gänsehaut auf. Außen ist der Sound solide, aber bei weitem nicht auf dem Niveau aktueller Platzhirsche. Es ist ein bisschen wie bei einem alten Röhrenradio: Man hört was, aber es knackt und knarzt halt auch. Aber hier muss unbedingt nachgebessert werden.

Fazit: Für Vintage-Fans mit Geduld

Die DC-9 von Sky Simulations ist kein Blender-Showcase, kein Ear-Candy, kein Ultra-Deluxe-Add-on. Aber sie ist ein ehrlicher, fast komplexer, fliegerischer Old-School-Bolide, der Piloten fordert – nicht unterhält. Wer eine Herausforderung sucht, Raw-Data fliegt, gerne Checklisten blättert und Freude daran hat, alte Eisen auszuführen, der bekommt hier ein Add-on, das trotz aller Ecken und Kanten seinen Platz verdient hat. Allerdings halte ich den Preis für viel zu hoch angesetzt. Wer hingegen auf photorealistische Texturen, durchdesigntes Sounddesign und FMC-Komfort setzt, sollte vielleicht bei der 737 bleiben, oder die Maddog auspacken – die ja ohnehin den Charme ihrer Vorgängerin versprüht. Sky Simulations liefert mit der DC-9 ein Produkt ab, das nicht jeder lieben wird. Aber wer ihr eine Chance gibt, wird vielleicht nicht enttäuscht. Ich werde sie jetzt aber erst mal parken. Bis ein Update kommt.

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5 Kommentare
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Tobi
Tobi
15 Tage zuvor

Das klingt doch spannend. Irgendwie Frage ich mich allerdings warum man von der noch nie gehört hat, dafür aber gefühlt 200x von einem „ultra-realistischen“ Hochspannungsnetzt Addon. 🙂
Ich hoffe, dieses Flugzeug findet dennoch Freunde und Weiterentwicklung.

Markus F.
Markus F.
15 Tage zuvor

Danke für den Test Julius!
Für einen Airliner wäre das tatsächlich mein Beuteschema, aber so viel preiswerter als die Maddog ist es aktuell ja auch nicht wenn man auch den Umfang und die „Güte“ berücksichtigt.

Das zippelige Flugverhalten macht mich aber skeptisch, was ich so von der DC/MD Familie weiß (irgendwo im Hinterkopf) passt da eigentlich nicht so richtig dazu.

Mal schauen, wie das Produkt so weiter reift.

Bam2000
Bam2000
15 Tage zuvor

spannend wäre ob dieser flieger wie angepriesen auf simmarket in der beschreibung auch im career mode benutzt werden kann, das wäre der erste 3rd Party flieger und wäre wirklich was tolles, da sonst der career mode einfach nicht soviel spaß macht mit den ganzen buggy First Party fliegern. Konntet ihr das in erfahrung bringen ?

ftz
ftz
15 Tage zuvor
Antwort auf  Bam2000

Im Career-Mode funktionieren nur Flugzeuge aus dem Marketplace. Und dann auch nur wenn sie Nativ sind und der Entwickler diese entsprechend programmiert hat. Falls das Ding im Marketplace ist solltest du angezeigt bekommen ob es dafür kompatibel ist.

Ob in Zukunft doch auch nicht MP Flugzeuge für den Career-Mode kompatibel sein werden weiß keiner. Stand heute sind sie das nicht und werden es auch nicht sein.

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