
Es ist kurz vor Weihnachten. Draußen ist es vielleicht kalt, drinnen dampft der Glühwein, und irgendwo zwischen Nordbayern und South Carolina klickt bei Laminar Research ein letzter Commit durch. Heraus kommt jetzt die Beta von X-Plane 12.4.0 – ein Update, das sich demonstrativ weigert, mit bunten Schlagzeilen zu glänzen. Keine neue Flugzeugikone für den Trailer, kein Marketing-Feuerwerk. Stattdessen: Schraubenschlüssel, Prüfprotokolle, Systemdiagramme.
Marco Auer von X-Plane-Team nennt es im eigenen Blog folgerichtig einen C-Check. Und trifft damit einen Nerv. Denn X-Plane 12.4.0 ist kein Update, das beeindrucken will. Es ist eines, das aufgeräumt hat.
Fundament statt Feuerwerk
Wer die Release Notes liest, merkt schnell: Laminar Research hat sich bewusst gegen den schnellen Applaus entschieden. 12.4.0 ersetzt Kernkomponenten der Engine, räumt technische Schulden auf und bereitet das Terrain für die kommenden Jahre. Das klingt unspektakulär – ist aber genau die Art von Arbeit, die entscheidet, ob ein Simulator langfristig überlebt oder irgendwann unter seinem eigenen Gewicht kollabiert. Und auf das einzahlt, wofür das Team hinter Austin Meyer seit Jahren bekannt ist.
Der vielleicht wichtigste Punkt dabei: Multi-Core-Scenery-Processing. Endlich wird die Szenerieberechnung von der Main-Thread-Leine gelassen. Das bedeutet nicht automatisch mehr FPS für alle – und Laminar ist wohltuend ehrlich genug, das auch klar zu sagen. Aber gerade in den berüchtigten P95- und P99-Szenarien, also dort, wo X-Plane bisher gerne mal gestottert hat, sind die Verbesserungen massiv. Bis zu 38 Prozent weniger CPU-Zeit im Worst-Case sind kein Marketingwert, sondern ein echtes Statement.
Kurz gesagt: Wer bisher CPU-limitiert war, bekommt Luft. Wer GPU-limitiert ist, bekommt zumindest die Gewissheit, dass hier an der richtigen Stelle gebaut wird.

Airbus A330: Ein Flugzeug wird erwachsen
Der heimliche Star des Updates ist – wieder einmal – der A330-300. Der Standard-Heavy, der mit der 12. Version von Austins Simulator dazukam. Und ja: Man kann über Default-Airliner diskutieren. Aber was Laminar hier wohl anstrebt, ist kein „wir haben noch ein paar Schalter animiert“, sondern eine grundlegende Weiterentwicklung.
Das elektrische System wurde komplett neu geschrieben. Nicht „überarbeitet“. Neu. Mit korrekten AC- und DC-Bussen, realistischem Bus-Shedding, funktionierenden TRUs, Static Inverter, Emergency Generator und einer Notstromlogik, die diesen Namen verdient. Displays verhalten sich endlich wie Displays. Systeme ziehen Strom – oder eben nicht. Selbst die IFE hängt korrekt im Netz.
Besonders stark: Cold & Dark. Kein Show-Cold-and-Dark mehr, sondern ein Ablauf, der sich anfühlt wie ein echter Airbus. Batterie an, warten. Anzeigen kommen nicht sofort. Manche kommen gar nicht. Und genau das ist der Punkt. Wer bisher dachte, Cold & Dark sei nur ein Preset, lernt hier, dass es ein Zustand ist.
FMGC und ADIRS noch nerdiger
Spätestens beim FMGC zeigt Laminar, für wen dieses Update gedacht ist. 4D-Flight-Planning mit RTA-Constraints, ETP-Berechnung unter Berücksichtigung realer Winde, konstante Mach-Segmente für den Ozean, Zeit-Marker-Waypoints für Crew-Rest – das ist keine Spielerei. Das ist Airline-Alltag. Wenn jetzt noch all Engine-Varianten dazukommen würden. Tja.
Dass man jetzt per Scratchpad einen UTC-Zeitpunkt eingibt und im ND ein Donut erscheint, der sagt „jetzt wäre ein guter Moment für Kaffee oder Cookies“, ist typisch Laminar: technisch korrekt, trocken humorvoll, angenehm selbstironisch.
Auch das ADIRS wurde nicht vergessen. Realistische Align-Zeiten, latitudenabhängig, schrittweise verfügbare Informationen, korrekte Einschränkungen für FD und Autopilot – so, wie man es erwartet, wenn man nicht nur ein Flugzeug fliegen, sondern verstehen will.
Avionik funktionaler
X430, X530 und X1000 haben lange ein etwas stiefmütterliches Dasein geführt. 12.4.0 macht damit Schluss. Traffic-Pages, Terrain-Darstellung, NEXRAD-Wetter, Satellitenstatus inklusive WAAS-Info – das ist nicht revolutionär, aber vollständig. Und vor allem: zuverlässig.
Der X1000 legt noch eine Schippe drauf. Profil-View, Wind-Vektoren, realistische Reichweitenringe, Trip-Planning mit ETA, ETE, Sonnenuntergangszeiten, Fuel-Predictions und sogar ein Statistik-Tracker. Man kann darüber schmunzeln – oder anerkennen, dass hier jemand verstanden hat, warum viele Menschen fliegen: weil sie Daten mögen. Und Laminar sie sowieso liebt.
Für die Augen: Tobii, VR und FXAA
Dass Tobii Eye Tracker 5 jetzt nativ unterstützt wird, ist mehr als ein Komfort-Feature. Es ist ein klares Signal, dass X-Plane seine Desktop-Wurzeln ernst nimmt. Kein Gefrickel mehr mit externen Tools, alles direkt im Sim konfigurierbar.
VR-Piloten profitieren von separaten Grafik-Settings – eine längst überfällige, aber sehr willkommene Neuerung. Und FXAA? Endlich werden Cockpit-Displays davon ausgenommen! Wer jemals versucht hat, mit verschwommenem ECAM zu landen, weiß was hier passiert ist.
Bilbao, Gateway und die Liebe zum Detail
Aber auch bei der Szenerie gibt es mit der neuesten Iteration ein Update: Mit Bilbao (LEBB) bekommt X-Plane ein weiteres Default-Airport-Highlight. Der berühmte Calatravas-Terminal ist jetzt einfach dabei. Dazu kommen 213 Gateway-Airports, neue Library-Assets von Segmented Circles bis Signal Squares, statische Segelflugzeuge, sich bewegende Baukräne, Antennentürme und Camping-Equipment für Fly-Ins und vieles mehr. Und das alles ist kein Selbstzweck. Es ist die stille Weiterentwicklung eines Ökosystems, das stark davon lebt, dass jemand auch an die unscheinbaren Dinge denkt: Die Community, die X-Plane-Kreationen durchs Gateway führt.
Wer mitmachen will: Die neue X-Plane-Beta ist per Steam oder Installer zu haben. Inkuslive neuer Features. Beim Runterladen empfiehlt sich die Lektüre des Begleitposts. Frohe Weihnachten an Laminar, Marco und alle bei X-Plane.
Und was, der Artikel suggeriert, ich sei X-Plane-Fan? Schuldig im Sinner der Anklage.

Einfach nur klasse! Die Taktzahl bei XP12 ist hoch und die angegangenen Themen genau die Richtigen. Marco macht einen super Job – der Blog-Post liest sich wie eine schöne Weihnachtslektüre! Weiter so LR!
Hab es auf Discord gelesen. Ich freue mich 🙂 Der XP12 hat schon lange den MSFS2020 ersetzt
Tolle Sache! Hab direkt mal einen Flug gewagt. Nativer Tobii Support – genial…!
X-Plane ist seit dem Update allerdings instabil, wenn man die gelockten FPS im RivaTuner verändert. Dank statesaving der Hotstart kein Problem.
Ich fliege seit ein paar Wochen mit FluidMotion statt Losless Scaling. 30 fps gelockt im Rivatuner, läuft sonst super.