„Negative, Ghostrider, the pattern is full!“ Nahezu jeder Luftfahrtfan kennt diesen Passus wahrscheinlich aus Top Gun. Jetzt kann dieser Satz und alles drumherum in den Flight Simulator gebracht werden: Heatblur und IndiaFoxtEcho haben die F-14 Tomcat in den MSFS gebracht. Doch wie gut kann man sich als virtueller Maverick oder Iceman im Add-on austoben? Wir haben es uns angesehen.
Das Vorbild
Die F-14 Tomcat wurde speziell als trägergestützter Abfangjäger für die United States Navy entwickelt und konnte auf Flugzeugträgern wie der USS Enterprise und der USS Nimitz operieren. Ihr Erstflug fand 1970 statt, nach diversen Anfangsproblemen, wurde sie 1974 offiziell in den Dienst gestellt. Das Flugzeug wurde von einem Piloten und einem Radaroffizier (RIO) bemannt, wodurch eine effektive Arbeitsteilung ermöglicht wurde.
Das Herzstück der F-14 war ihr leistungsstarkes AN/AWG-9-Radar in Verbindung mit der AIM-54 Phoenix-Rakete. Dieses System erlaubte der Tomcat, mehrere Ziele auf große Entfernungen zu verfolgen und gleichzeitig anzugreifen, was für damalige Verhältnisse zu einer überragenden Luftüberlegenheit führte. Die F-14 konnte auch mit einer breiten Palette an Luft-Boden Waffen ausgerüstet werden, daher rührt auch der Spitzname „Bombcat“.
Die F-14 Tomcat kam in verschiedenen militärischen Konflikten zum Einsatz, darunter im Golfkrieg, wo sie viele Missionen übernahm. Lange Zeit Speerspitze der amerikanischen Trägerverbände, wurde sie seit Mitte der 80er Jahre nach und nach von der F/A-18 Hornet verdrängt. Aufgrund der Zuverlässigkeit und Vielseitigkeit schied sie aber erst 2006 aus dem aktiven Truppendienst aus. Heute fliegen noch einzelne Exemplare im Iran, diese sollen aber bis Mitte 2024 ausgemustert werden.
Der virtuelle Kater
Als Heatblur 2019 nach mehrjähriger Entwicklungszeit die Tomcat für den DCS veröffentlichte, war die (militärische) Simmerwelt in Aufruhr. Kein Add-on hatte es bisher geschafft, solch eine Atmosphäre in ein DCS Modul zu packen. Das Modell, die Sounds und vor allem die Jester-AI sorgen auch knapp 5 Jahre nach Release noch für Wow-Momente.
Für den Einstieg in den MSFS suchte sich Heatblur Unterstützung bei IndiaFoxtEcho. Dino Cattaneo, der Inhaber von IndiaFoxtEcho, ist vielen Simmern schon von seinen Umsetzungen anderer Jets bekannt. Nachdem das 3D-Modell portiert wurde, begann die wohl größte Arbeit für das Heatblur-Team rund um Nicholas Dackard: Die Integration der Jester-AI in den MSFS.
Jester, Protagonist aus Top Gun, unterstützt den Piloten bei vielen Routinen: Checklisten, Navigation und schnippische Kommentare sind dabei nur ein Teil, um Leben in den Flieger einzuhauchen.
Außencheck
Das Modell der F-14 war bereits im DCS eine Wucht. Im MSFS wurde es noch in Details verbessert und die Grafikengine entsprechend genutzt. Die Qualität der Texturen und des Modells kann man kaum in Worte fassen. Feine Detaillierungen, Abnutzungsspuren und eine sehr saubere Texturierung sind nur einige der Highlights des Außenmodells. Aber wozu viele Worte verlieren, wenn man all das auch mit Bildern viel einfacher ausdrücken kann.
Die Tomcat kommt in zwei verschiedenen Triebwerksvarianten. Die A-Version wurde mit Pratt & Whitney-TF30-Triebwerken ausgerüstet. Nach vielen Problemen und dem Nachteil des geringeren Schubes begann man mit der Nachrüstung des General Electric-F110-GE-400. Der Zuwachs an Schub war enorm und auch die Zuverlässigkeit der Triebwerke stieg signifikant. Damit konnte der Flieger auch den letzten Skeptiker überzeugen.
Der Bereich des Fahrwerks wurde ebenfalls sehr umfangreich modelliert. Leitungen, Dreck, Reste von Hydrauliköl- es fehlt nur noch der typische Geruch von alten Flugzeugen und man könnte in Objektophilie verfallen, so sehr wurde mit Liebe designt.
Auch wenn wir uns in einem zivilen Simulator bewegen: die Tomcat hat einen militärischen Hintergrund und deshalb wurden auch alle relevanten Waffen als Modell umgesetzt.
Das Hauptwirkmittel der F-14 war seit jeher die AIM-54 Phoenix. In der letzten Modifikation, mit einer Reichweite von gut 180Km versehen, war die Tomcat damit in der Lage den eigenen Trägerverband wirksam zu schützen. Mit der AIM-7 Sparrow und der AIM-9 Sidewinder standen außerdem noch eine halbaktiv-gelenkte Mittelstreckenrakete und eine wärmesuchende Rakete für den Nahbereich zur Verfügung.
In Verbindung mit dem 1994 eingeführten Target Pod LANTIRN ( Low Altitude Navigation and Targeting Infra Red for Night) und der daraus folgenden Möglichkeit lasergelenkte Bomben zu tragen, bekam die Tomcat noch ihren Beinamen „Bombcat“.
Mavericks Arbeitsplatz
Eigentlich kann man diesen Abschnitt mit einem Satz beschreiben: Das was Außen vorgelegt wurde, ist innen mindestens genauso gut.
Das Cockpit der Tomcat ist ein umfangreiches Sammelsorium von Schaltern, Knöpfen und einigen Bildschirmen. Im Flug bedarf es einiges an Koordination und vor allem auch Organisation, damit aus dem Flug kein Höllenritt wird. Das Headup- Display, welches dieselbe Bildwiederholrate wie mein erster Gameboy hat, ist zwar eine gewisse Hilfe für den Piloten, es sollte jedoch in seiner Funktion nicht überschätzt werden.
Das, was für Al Bundy das Sofa ist, das ist der Schleudersitz für den Jetpiloten. Der virtuelle Martin Baker GRU-7A hat mehr Details als manch Entwickler für seinen ganzen Flieger aufwendet. Doch was wäre ein Sitz ohne passenden Piloten und dazu noch mit Jester als Copilot?
Viele Add-ons im MSFS haben mittlerweile virtuelle Passagiere, Piloten oder sogar Haustiere. Aber um mit dieser Hingabe und Leidenschaft ein 3D-Modell eines Piloten zu erstellen, bedarf entweder eines gewissen Masochismus oder man ist einfach ein begnadeter Künstler. Was es genau war, werden wir wohl nie herausfinden, aber dass hier jemand sein Handwerk versteht, wird hier erneut bestätigt.
Der Platz des RIOs ist ebenfalls eine Wucht. Auch hier wieder Details in Hülle und Fülle und der Bildschirm des Radars ist nicht nur reine Kosmetik. Mithilfe des AN/AWG-9 Radars können AI-Ziele verfolgt werden.
Heimat des Katers
Auch der wildeste Kater brauch einen Rückzugsort. Es klingt beinahe logisch, dass sich Heatblur und IndiaFoxtEcho nicht lumpen lassen, die USS Forestal- Klasse in den MSFS zu integrieren. Der Träger ist an vier fest definierten Orten zu finden:
- USS Forestal in der Nähe von Norfolk
- USS Saratoga im Mittelmeer
- USS Ranger im Arabischen Golf
- USS Independence in der Nähe von Taiwan
Die Forestal- Klasse, mit ihren 325m Länge, galt als der erste Supercarrier der Navy. Über 86 Flugzeuge fanden auf ihr Platz, darunter bis zu 24 F-14.
Das Modell des Trägers entstammt ebenfalls aus DCS, leider kann aufgrund der Limitierung im MSFS der Katapultstart und die Fanghakensimulation nicht so realistisch dargestellt werden, wie im Pendant von Eagle Dynamics.
Der Träger hat dennoch so viele liebevoll umgesetzte Details, dass es Spaß macht, sich diesen in Ruhe per Dronenmodus anzuschauen.
Lärm? Sound!
Die Sounds der Tomcat benötigen eigentlich keiner großen Worte. Die Atmosphäre, die durch das Soundset wiedergegeben wird, lässt einen gleich in Top Gun Feeling schwelgen. Sei es das Fiepen und Brummen der Avionik, das im Cockpit vorherrschende Fauchen der Triebwerke, was in der Außenansicht aber eher einem Inferno gleicht, bis hin zur Geräuschkulisse aller Schalter und Tasten. Alles passt perfekt zu diesem Flugzeug- von daher Chapeau!
Jester
Im DCS war die eingebaute AI, liebevoll auch Jester genannt, ein absolutes Novum und Gamechanger. Es war bisher unmöglich, dass ein zweisitziges Flugzeug in einer derartigen Tiefe bedient und geflogen werden konnte. Grund genug dieses System, wenn auch etwas abgespeckt, in den MSFS zu integrieren. Der gesamte Startup-Prozess wird durch Jester unterstützt. Sei es durch das Lesen der Checkliste oder Abarbeiten von Prozeduren. In der Luft erhält man auch diverse Hinweise, z.B. zur aktuellen Treibstofflage.
Ab und an bekommt man Kommentare zur Flugweise. Wenn es der virtuelle Maverick aber zu sehr übertreibt, verlässt Jester aber auch ab und an gerne die Situation – per Schleudersitz.
Systeme
Die Systemtiefe der Tomcat kann als sehr umfangreich beschrieben werden. Ob Hydraulik, Autopilot oder die Sensorik des Flugzeugs. Alles wurde entsprechend der MSFS Limitierungen umgesetzt und funktioniert wie es soll.
Das Highlight der Tomcat ist die automatische Flügelverstellung. Dabei musste Heatblur einen Trick anwenden und das System etwas vereinfachen. Das Direct Lift Control System musste leider weichen und wurde über das Klappensystem vereinfacht umgesetzt. Die Stellung des Flügels geschieht im Normalfall automatisch, der Pilot muss nur die Klappen setzen. Das Direct Lift Control System (DLC) der F-14 Tomcat ermöglicht es dem Piloten in der echten F-14, die Flughöhe während des Anflugs auf einen Flugzeugträger präzise zu kontrollieren, ohne die Geschwindigkeit zu ändern. Es funktioniert, indem es die Spoiler an den Tragflächen in einer Weise anhebt, die den Auftrieb direkt beeinflusst, wodurch die Maschine feiner justiert werden kann, als es mit herkömmlichen Steuerflächen möglich wäre. Diese Fähigkeit verbessert die Landesicherheit auf dem relativ kurzen und beweglichen Deck eines Flugzeugträgers, indem sie dem Piloten eine bessere Kontrolle über die Sinkrate und Flugbahn des Flugzeugs gibt.
Das Trägheitsnavigationssystem (INS) wurde recht detailliert simuliert, es können bspw. Fehler beim Alignment und Abweichungen im Flug auftreten. MSFS Flugpläne können auch geladen werden und werden im TID Display dargestellt.
Der Katapultstart wurde, wie oben bereits kurz angerissen, deutlich vereinfacht. Die genaue Prozedur wird im Handbuch beschrieben. Wer jedoch die Tomcat mit richtigen Prozeduren und Bodencrew vom Träger starten möchte, der muss wohl oder übel auf den DCS wechseln. Der Autopilot funktioniert, er hält Höhe und Kurs, mehr Funktionen konnten leider nicht integriert werden.
Und fliegerisch?
Das Flugmodell der Tomcat wurde so gut es geht in den MSFS integriert. Spezielle Systeme, wie z.B. der Mach Trim Compensator konnten jedoch nicht umgesetzt werden und somit unterscheidet sich das Flugmodell in einigen Punkten zum DCS Derivat. Der Mach Trim Compensator (MTC) in der F-14 Tomcat ist ein automatisches Steuerungssystem, das dafür entwickelt wurde, die Stabilität des Flugzeugs bei hohen Geschwindigkeiten, insbesondere im Überschallflug, zu verbessern. Wenn das Flugzeug sich der Schallgeschwindigkeit nähert und sie überschreitet, verändern sich die aerodynamischen Kräfte, die auf das Flugzeug wirken, was zu einer Verschiebung des aerodynamischen Zentrums führt. Der MTC passt automatisch den Neigungswinkel der Höhenflossen an, um diese Effekte zu kompensieren und das Flugzeug stabil und steuerbar zu halten, indem er unerwünschte Nickbewegungen korrigiert, die durch die Geschwindigkeitsänderungen entstehen.
In der Luft verhält die Tomcat sich aber dennoch sehr zahm und kann gut und präzise gesteuert werden. Die fast 25 Tonnen Schub aus den F110 Triebwerken katapultieren die F-14 auf Geschwindigkeit oder Höhe. Oder eben beides.
Im Langsamflug, gerade mit gesetzten Klappen, wird die Tomcat etwas schwammig, dieses Verhalten scheint aber korrekt umgesetzt und fühlt sich stimmig an.
Die Landung auf einem Träger ist aber definitiv eine Herausforderung. Höhe, Geschwindigkeit und die Ausrichtung des Flugzeugs liegen in einer sehr engen Marge und müssen stets korrigiert werden. Belohnt wird man aber mit tollen Anflügen und spektakulären Landungen.
Schlusswort.
Wer einen Klassiker der Militärluftfahrt sucht, wird bei Heatblur definitiv fündig. Für gute 35$ bekommt man wohl den bisher systemtiefsten Kampfjet im MSFS, der vor allem beim 3D-Modell eine absolute Augenweide ist. Besitzer der DCS Version erhalten sogar noch einen Rabatt, daher: Wer einen Kampfjet mal im MSFS ausführen will, bekommt von Heatblur das passende Gerät.
Klasse Review Philipp. Vieln Dank für deine Mühe!
Ich weiß auch nicht wie Heatblur das gemacht hat, aber der Typ von Metal2Mesh hat ne Schaufensterpuppe zu Hause, für die er das passende Outfit bei ebay und Co zusammenkauft, und dann alles zusammen in den 3D-Scanner stellt.