Eigentlich hatten wir uns bei cruiselevel ja auf ein paar ruhige Wochen vor dem Release des MSFS2024 gefreut. Aber dann kam der Aerosoft A330. Und fast auf die Minute genau eine Woche später schwappt mit der iFly 737 MAX die nächste Welle durch die Flusi-Welt. Die Flieger sollte man nicht vergleichen? Lest hier, warum die beiden Flieger vielleicht mehr gemein haben, als man denkt.

Wer nicht gerade unter einem Stein lebt, wird es mitbekommen haben, seit knapp zwei Wochen gibt uns iFly auf allen Social-Media Kanälen das permanente Dauerfeuer. Die lang erwartete iFly MAX 737 steht kurz vor dem Release und wird das tollste Add-on aller Zeiten für den Microsoft Flight Simulator. Viele Simmer brechen in Freudentänzen aus, dass endlich unser Jaime erschienen ist, der den Boeing-Dauerkönig PMDG vom Thron schubst. Aber genauso wie in Westeros gilt auch in der Flusi-Welt, eine Geschichte sollte erst dann bewertet werden, wenn die Credits über den Schirm flimmern. Beziehungsweise man auch mal selbst Hand anlegen kann.

Die ersten missmutigen Zwischenrufe in dieser Geschichte ergeben sich am letzten Wochenende. Auch wenn die MSFS2024 Tech-Alpha und die letzten Nachbeben aus dem südöstlichen Nordrhein-Westfalen die Simmer-Horde kurz abgelenkt haben, werden nun die Rufe lauter, warum es die MAX immer noch nicht zu kaufen gibt. Und diese Rufe wurden auch in den USA bei Flight1 erhört. Als „wir-testen-nur-mal-kurz-unseren-Shop-mit-eurem-Geld“ Version gibt’s seit gestern die iFly MAX käuflich zu erwerben. Mit einem Disclaimer in Schriftgröße 2, dass man hier den aktuellen Beta-Build kauft und keine finale Release-Version. Aber was soll da schon schiefgehen, nach 10 Tagen Dauerfeuer aus der Hype-Kanone kennen wir diesen in- und auswendig. Und im letzten Patch geht endlich auch die Klospülung!

Also kurzerhand die Kreditkarte gezückt, 70 US-Taler Richtung Flight1 gezaubert und schon können wir das Schmuckstück auf unsere heimische Sim-Platte zaubern. Für leichte Verstimmungen sorgen nur Telekom Probleme, die für die Bemalungen jeden Pixel einzeln durch die Leitung schieben und Probleme des Installers, der mit den 1291271921672897126 Zeichen des Pfades einer typischen Microsoft-Store-Installation nicht so wirklich zurechtkommt. Aber die Flusi-Community wäre nicht die Flusi-Community, wenn es für diese Probleme nicht innerhalb von Sekunden die passende Lösung im Flight1 Discord gebe.

Und so stehen wir nach kurzer Zeit am Terminal in Brüssel in einer wunderschönen TUI Belgien Maschine. Noch fix mit 23 Klicks die Ground Power über das EFB an die Maschine drangesteckt und das Cockpit zum Leben erweckt. Es blinkt, es klackert, die Immersion ist perfekt. Man klickt die einzelnen Fehlerlampen im Overhead an, diese leuchten dann, wie es sein soll. Erster Eindruck, Robert R. go home, der neue König sitzt auf dem Thron. Im zweiten Eindruck taucht dann allerdings schon das erste Fragezeichen im Kopf auf. Die Firehandles haben aufgemalte Schatten und Highlights. Ein leichter Hauch von FSX liegt in der Luft. Aber flugs weiter im Flow und die Fire-Tests gemacht. Damit erübrigt sich dann auch ein dritter Eindruck, die Lampen in den Fire-Handles haben auf meinem HDR-Monitor ungefähr die Helligkeit einer Supernova und brennen einem die Retina nachhaltig weg.

Aber egal, kein Add-on ist perfekt und manche Abstriche nimmt man auch gerne in Kauf. Also weiter, schnell einen Flugplan gerechnet via Simbrief und in den Flieger importiert. Das funktioniert nach dem dritten Anlauf dann auch irgendwie, auch wenn mir nicht klar ist, warum der Flieger für ein Simbrief-Flugplan 5000 Berechtigungen von Navigraph braucht. Haben kommt vor Brauchen oder so. Und dann muss natürlich noch sowas Nebensächliches wie PAXe, Fracht und Fuel in den Flieger. Letztes ist sogar semi-integriert mit GSX, also noch eine schaffbare Hürde. Für Ersteres aber setzt die iFly ein Riesenzeichen gegen die um sich greifende Servicewüste. Während wir in PMDG und Co. einfach unpersönlich ein ZFW eingeben, legt hier der Captain noch persönlich Hand und darf über das EFB jeden virtuellen Passagier zu seinem Sitz geleiten und jeden Koffer in den passenden Frachtraum definieren.

Überhaupt EFB. Die ist ja bei Boeing im MSFS ein Thema, welches schon öfter für Podcast füllende Diskussionen gesorgt hat. Hier in der MAX finden wir noch ein Exemplar des Boeingziegels, welchen PMDG in seiner MSFS Umsetzung aus dem Cockpit gekickt und durch das eigene UFT ersetzt hat. Und wie so oft, im Nachhinein ist man immer schlauer, und iFly demonstriert schön, warum das wohl doch die richtige Entscheidung war. Nicht nur erfordert das Verständnis der Bedienlogik einen mehrtägigen VHS-Kurs mit A0 Flow-Charts, sondern auch der Performance-Computer will minutenlang mit Werten gefüttert werden, welche bei der Konkurrenz nur einen Klick entfernt sind. Und in der wahren Boeing-Philosophie ist die EFB noch ein echtes „Human-in-the-Loop“ Produkt, denn es gibt keine Vorschläge für die optimalen Werte, hier wird noch jeder Wert durchgerechnet und dann der passende auserwählt.

Aber nun gut, neue Add-ons erfordern immer Eingewöhnung, und nach nur knapp drei Stunden Delay können wir dann auch endlich pushen und uns wieder den schönen Dingen zuwenden. Schnell das Triebwerk gestartet und in die Kabine gehüpft, wo wir das LEAP-1B hochlaufen sehen und vor allem Dinge hören. Hier lacht das Simmerherz wieder, kenne ich diesen Start doch von unserem Southwest-Flug im Sommer. Und es werden direkt Erinnerungen wach, während das Triebwerk dröhnt und wummert, so dass auch die taube Oma im Nachbardorf es noch genießen kann. Herrlich, hier kann PMDG einpacken. Wer braucht schon eine NG mit CFM56 Triebwerken, wenn man die MAX mit den LEAP-Kanonen hat.

Ab zur Runway und in die Luft mit der Karre. Wir haben lange genug am Boden gestanden und wollen endlich die Gravitation hinter uns lassen. Beim Take-Off dröhnt und wummert es auch im Cockpit ordentlich, aber auch hier schleichen sich ein paar Misstöne ein. Die Triebwerke laufen schneller hoch, als wir „Thrust Set“ sagen können. Das bekannte lange Warten auf die Riesen-Fans der Triebwerke, damit diese aus ihrem Idle-Schlaf erwachen, ist hier Fehlanzeige. Aber das hat auch ein gutes, so sind Triebwerke auch schnell wieder im Vollschub beim Takeoff, falls wir uns erdreisten nach dem Drücken der TOGA-Schraube noch die Hand auf unserem Hardware-Schubhebel zu haben und damit die Triebwerke bei jedem kleinen Input wieder zurück gen Idle zu ziehen. Simmer vs iFly Boeing-A/T, der ultimative Kampf.

Irgendwann erreichen wir dann auch Vr und heben ab in das wohl kontroverseste Thema der Flugsimulation. Die Nase geht schon gefühlt etwas langsam hoch, aber wir haben noch nichts an den Sensitivitäts-Einstellungen im EFB geändert und müssen da eventuell noch einmal ran. Dass wir unseren Sim so eingestellt haben, dass wir mit unseren Settings von einer King Air bis zur Boeing 777 alles gut fliegen können, ist egal, schließlich ist die iFly der neue König und kann es nur besser machen. Ähnliche Erscheinungen zeigen sich auch in den Ruderpedalen. Diese sind royal passend sehr sensibel und reagieren auf den kleinsten Druck mit einer Riesen-Reaktion. Empfohlener Workaround von iFly, man möge doch die Ruder-Sensitivität im Sim runterstellen. Bei ca. minus 90% ergibt sich dann an Wert, der annehmbar ist. Warum hier dann doch das Sim-Setting relevant ist und es keine iFly-Einstellung gibt, ungeklärt.

Zwei Stunden später…. auf zur ersten Landung, perfekt zum Sonnenuntergang geht’s bei bestem Wetter rein nach Palme de Malle. Approach mit Vektoren, Maschine macht, was sie soll, auch wenn sie sich etwas zickig hat beim Speed. Aber wir nehmen es ja nicht so genau, ob 250 oder 270 auf dem Tacho steht bei der Restriction, Hauptsache es wird irgendwie langsamer. Anflug auf das ILS ist dann unaufgeregt, wir schicken den Autopiloten und Autothrottle in ihre stille Ecke und machen es einfach selbst. Die Maschine liegt wie ein Brett in der Luft und ohne große Inputs gleiten wir das ILS runter zu einem perfekten Touchdown auf dem Marker. Geil, endlich wieder fliegen wie in P3D, ohne nervige Einflüsse von MSFS Turbulenzen. Bei der zweiten Landung später am Abend in Seattle, mit deutlich mehr Wind, ist der Glanz dann leider verflogen. Einstellungen an der Sensitivität scheinen pro Bemalung zu sein? Zumindest geht der Blick des Piloten nervös hoch ins Overhead, um sicherzustellen, dass die Hydraulik auch wirklich an ist. Ist sie und trotzdem fühlt sich der Flieger im Approach an wie ein Supertanker beim Auslaufen aus dem Hafen. Der Einschlag eine Minute später ist dann auch nur das i-Tüpfelchen. Und woran hat’s gelegen? Man weiß es nicht, Pilotenfehler, Fehler in den Einstellungen, komische Windböen im MSFS, alles möglich. Zurück bleibt eine ungute Erinnerung an manche Fenix-Builds, bei denen gefühlt auch jede Landung gewürfelt wurde.

Ungute Erinnerungen an andere Flugzeuge kamen auch beim Start des zweiten Fluges auf. Wilde Sprünge in der eingestellten Geschwindigkeit des Autopiloten kennt man sonst nur aus ganz frühen Add-ons für den MSFS und den ersten Default-Flugzeugen. Hier gibt’s das bei jedem Abflug mit den SOPs von Southwest, immerhin nur der größte Betreiber dieses Flugzeugtypen. Dass die iFly MAX dann an der einzigen Stelle, wo die echte MAX den aktuellen Speed in das MCP Fenster übernimmt, es genau nicht tut, rundet das mulmige Gefühl auch nur ab. Verstärkt wird das noch durch Probleme im Descent, ohne Piloten-Eingriffe den Speed zu halten, von anderen Simmern bezeugten Tendenzen in verschiedenen Situationen mit rabiaten Flugmanövern aufs ILS zu fliegen oder sich mit Autopilot in den Stall zu fliegen im VNAV.

Gehen wir zum Abschluss nochmal durch’s EFB, hier finden sich dutzende Optionen, welche man im Cockpit und am Flieger anpassen kann. Gefühlt das einzige, was fehlt, ist die Auswahl der Seife im Klo. Aber auch hier zeigt sich auf den zweiten Blick der Eindruck, dass es mehr Schein als Sein ist. Was nützen drei verschiedene Temperatursensoren, wenn diese nur eine Beschriftung an einem System ändern, welches mit diesen nur sekundär zu tun hat und die operationell relevanten Unterschiede einfach ignoriert werden? Was nützen zwei verschiedenen Hydraulikpumpen, wenn gleichzeitig die Animation im Fahrwerkschacht so aussieht, dass die Antriebswelle der Klappen auf einer Seite einfährt und auf der anderen Seite ausfährt. Was nützen drei Triebwerkstypen im EFB, wenn in der eigentlich Config-Datei nur ein immer gleicher Engine definiert ist? Greift iFly hier ein und passt den Schub über ihre externe App an? Wäre super geil, nach zwei Flügen lässt sich diese Frage nicht beantworten, aber bei den restlichen Einstellungen im Flieger ist die Vermutung eher nein.

Sind das teilweise Details und Unterschiede, die den meisten Simmern wahrscheinlich nie auffallen werden? Ganz sicherlich, aber beim Anspruch der iFly, die neu Study-Level Referenz für ein Boeing-Flugzeug zu sein, sind solche Maßstäbe gerechtfertigt. Man kauft ja auch keine Highend-Hardware, um dann mit 60FPS nach Framegen und Medium-Settings zu fliegen, nur weil „man ja keinen Unterschied“ sieht.

Und so schließt sich für mich der Kreis zur neusten Kreation aus dem Hause Aerosoft. Wir sind eine Woche näher am Release des MSFS2024, wir haben wieder einen Flieger, welcher im neuen Sim auch in der kleinsten Version als Default dabei ist. Und wieder drängt sich förmlich der Eindruck auf, dass hier ein Flugzeug vorschnell releast wurde, um die Verkäufe der ungeduldigen Simmer-Horden noch mitzunehmen. Auf der Haben-Seite steht bei iFly ein geiles Modelling, mit einem super Auge für Licht und Schatten, garniert mit einem Ohr-gasmus Soundset. Und das zwar etwas verschwurbelt, aber immerhin vorhanden, klar war, dass es hier nicht der finale Build ist. Auf der anderen Seite steht aber weiterhin das zweiwöchige Hype-Dauerfeuer, was unter einem Schwall an Social-Media-Content auch bei mir erfolgreich die vorhandenen Bedenken zur Seite gespült hat.

Natürlich könnte man nun einwenden, es ist ja eine Beta, die hier gekauft wurde, der Flieger ist ja noch nicht fertig. Nur bedenkt dabei, dass der Preis hier auf dem gleichen Vollpreis-Niveau liegt wie bei PMDG, welche sogar in ihrem Paket noch mehr Varianten verpackt haben. Und die Erinnerung an andere Early Access Programme, welche von der Simmer-Welt mehr oder weniger kritisch bedacht werden. Denn am Ende des Tages haben Flight1 und iFly keinerlei Verpflichtung, noch irgendwas an dem Flieger zu machen, außer Version 1.0 dran zu schreiben. Wird das passieren? Vermutlich eher nicht. Aber ich bin lieber im Hier und Jetzt enttäuscht, für so eine Sammlung an Schall und Rauch viel Geld ausgegeben zu haben, um vielleicht in Zukunft positiv überrascht zu werden, als mich die nächsten Monate und Jahre mit irgendwelchen Versprechungen von bald erscheinenden Fixes und Features veralbern zu lassen.

Am Ende bleibt nur zu sagen, der König ist tot, lang lebe der König. Und mach hinne Robert, das Fenster für eine gute Study-Level-Umsetzung der MAX ist immer noch weit offen.