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Wir berichten darüber.

Was die Dornier Do 27 in den westlichen Ländern war, ist die Wilga wohl zweifelsfrei das osteuropäische Pendant. Die Firma PZL (Państwowe Zakłady Lotnicze aus Polen), deren Name wohl nur durch Rafi richtig ausgesprochen werden kann, legte mit dem Vorgänger der Wilga, der PZL- 101 Gawron, die Grundlage für die spätere Entwicklung. Die PZL- 104 genannte Wilga (dt. Pirol) hatte ihren Erstflug am 24. April 1962. Das Ziel der Konstruktion war es, ein einfach aufgebautes und dennoch leistungsfähiges STOL- Flugzeug zu entwickeln. Diese Eigenschaften machen sie zu einem perfekten Sanitäts-, F-Schlepp- und Agrarflugzeug. In der DDR und in Polen wurde auch die Möglichkeit zur Nutzung als Polizei-/ Grenzschutzflugzeug geprüft, die Idee wurde aber nach relativ kurzer Zeit verworfen.

Die Wilga ist ein freitragender Schulterdecker in einer Ganzmetallbauweise. An der Nasenleiste sind starre Vorflügel montiert, welche für das exzellente Langsamflugverhalten verantwortlich sind. Durch die relativ starke Motorisierung ist die Wilga auch in der Lage von sehr kurzen Plätzen zu operieren. Angetrieben wird die Wilga von einem 9-Zylinder Sternmotor vom Typ AI-14R, mit einer Startleistung von 260PS. Interessanterweise ist die Antriebsgeschichte der Wilga aber nicht auf den Sternmotor fixiert gewesen – der Prototyp, sowie der Nachfolger, die Wilga 2000, sind beide mit einem Boxermotor geflogen.

In Deutschland hat der Flieger seine Bekanntheit wohl erst nach dem Mauerfall bekommen, denn die meisten Segelflugvereine in der ehemaligen DDR waren mit einer Wilga als Schleppflugzeug ausgestattet. Aufgrund des sehr guten Leistungsgewichts kann die Wilga 3 Einsitzer oder 2 Doppelsitzer schleppen.

Das Team von Got Friends hat sich dem polnischen Flugzeug nun angenommen und sorgt für eine hervorragende Umsetzung für den MSFS – für einen Preis von 35 Dollar. Geworben wird mit einer extrem realistischen Umsetzung der Maschine inkl. realistischer Simulation des Triebwerks. Als Modelle wurden nicht nur die Version -35A umgesetzt, sondern auch die -35H mit Schwimmern, -35P für die Buschpiloten und die mit 450PS ausgerüstete -35X. Für jede Version wurden mehrere Lackierungen umgesetzt, sodass für jeden etwas dabei ist. Als Goodie wird noch die Szenerie von Forwood Farm (EGH2) mitgeliefert.

Mein Review wird sich aber auf die am meisten verbreitete Version, die PZL-104 Wilga 35A beziehen.

Wunderschön hässlich

Wer die echte Wilga das erste Mal sieht, kennt eigentlich nur zwei Emotionen – “Wow hässlich” oder “Wow wie schön”.

Gehen wir mal von der zweiten Betrachtungsweise aus, denn das Team rund um den Hauptentwickler “Jonx” hat wirklich perfekte Arbeit abgeleistet. Die Texturierung, die Nieten und das 3D-Modell sind eine Wucht. Selbst kleine Details wie z. B. die Verstellung der Luftschraube oder die vibrierende Motorhaube wurden umgesetzt. Das für das Flugzeug typische “Wellblech” Aussehen wurde meiner Meinung nach perfekt getroffen, die Proportionen sind ebenfalls sehr stimmig.

Der Innenraum wurde ebenfalls nicht nur umgesetzt, er fühlt sich richtig lebendig an. Das Wackeln der hängenden Sonnenbrille, das Zucken der Instrumente, all diese Sachen sorgen für eine extrem hohe Immersion. Sitze können umgeklappt werden, Türen geöffnet oder sogar ganz ausgehangen und auch die Sonnenblenden sind funktional. Kurzum – bei dem Anblick habe ich sofort den typischen Geruch in der Nase, den ich als 8-Jähriger bei meinem ersten Flug mit der Wilga in der Nase hatte.

Instrumente, Schalter und Hebel sind ebenfalls als sehr gute 3D-Modelle umgesetzt und auch kleinste Details wie das PZL Logo sind in den Instrumenten sichtbar. Chapeau!

Strapazieren wird bestraft

Schauen wir uns einmal die Systeme etwas genauer an. Versprochen werden “GotFriends Realism Features”, welche jedoch auch abschaltbar sind. Dazu gehören unter anderem Vergaservereisung, Triebwerksüberlastung, Shock Cooling, realistisches Anlassverhalten und vieles mehr.

Wer osteuropäische Muster kennt, dem wird der Anlassvorgang recht vertraut vorkommen. Nachdem die Druckluft aufgedreht wurde, die Batterie angeschaltet und dem Triebwerk der nötige “Saft” injiziert wurde, springt der Iwtschenko AI-14R an. Wenn auch anfangs mit geringer Motivation, wie der Klang und die Rauchwolke zeigen. Das beworbene Thermomodell für die Triebwerkstemperaturen macht einen recht realistischen Eindruck, das Warmlaufen kommt mir jedoch etwas schnell vor. Die Kühlklappen, im Wilga- Jargon auch Jalousie genannt, sorgen aber schnell für kühle Köpfe unter der Motorhaube. Das Einhalten der Betriebslimits ist nicht ganz unwichtig, schließlich kann der Motor auch ausgehen bzw. überstrapaziert werden.

Das elektrische System der Wilga ist relativ einfach aufgebaut, es gibt die üblichen Geräte, um den Betrieb und die Überwachung der Systeme zu gewährleisten. Die einzelnen Modelle unterscheiden sich in der Avionik- das einfachste Modell ist im 70/80er Jahre Charme gehalten und hat außer dem Funk und einem ADF keinerlei Ausrüstung für Funknavigation. Die mittlere Ausstattung hat bereits einen Transponder und eine VOR- Anzeige, die Wilga 35X und 80X sind digital instrumentiert und besitzen auch ein GPS.

Stermotoren-Sounds

Ob die Wilga nun aufgrund des Sternmotoren- Sounds nach einem Singvogel benannt wurde, ist nicht überliefert – Fakt ist aber, dass 9-Zylinder nicht gerade zurückhaltend in der Ausübung ihrer Tätigkeit sind. Hier liegt momentan noch ein kleines Manko in der Umsetzung, der Entwickler der Maschine versprach mir aber schon im Vorfeld, dass die Sounds noch einmal überarbeitet werden, damit man die 10L Hubraum auch besser hört. Dies soll kein Gegenargument für einen Kauf sein, die Sounds sind stimmig, alle Schalter, Knöpfe und auch die Gyro Sounds sind vorhanden. Mir fehlt aber gerade beim Anlassen und im Leerlauf das gewisse Etwas, damit das Sternmotoren- Feeling richtig rüberkommt.

Aerodynamischer Streuselkuchen

So werden die Flugeigenschaften der Wilga von Piloten gerne beschrieben. Das Flugzeug ist, obwohl einfach aufgebaut, nicht unbedingt leicht zu fliegen. Die geringe Bodenfreiheit des Propellers, das hohe Drehmoment und der Stirnwiderstand der Wilga können dem Piloten einige Schweißperlen ins Gesicht treiben. Die schiere Kraft des Motors überdeckt aber diese aerodynamischen Schwächen.

Beim Startlauf ist es wichtig, dass man eine gute Kontrolle über das Seitenruder hat, die Wilga neigt zum Ausbrechen, gerade bei Seitenwind. Die Abhebegeschwindigkeit von 95 Km/h sorgt für eine Rollstrecke von gerade einmal etwas über 150 m. Nachdem das Flugzeug abgehoben ist, stellt sich recht schnell eine Steiggeschwindigkeit von etwa 115–120 Km/h ein. Dieses Verhalten ist bei der virtuellen Wilga sehr gut umgesetzt, zu viel Zeit darf man sich nicht lassen, sonst fliegt einem die Wilga buchstäblich davon!

In der Luft kann die Leistung extrem gedrosselt werden, dies kommt auch dem Verbrauch zugute, immerhin genehmigt sich die Wilga pro Stunde etwa 45- 75L.

Die Reisegeschwindigkeit beträgt maximal 220 Km/h, der Idealbereich liegt aber bei etwa 160-180 Km/h.

Bei der Landung zeigt die Wilga wieder ihre anspruchsvolle Seite, das schlechte Gleitverhalten und die Wirkung der Landeklappen sind nicht zu unterschätzen. Mit voll gesetzten Klappen, welche übrigens mit 44° nach unten ausfahren, sind sehr steile Anflüge möglich. Die Sinkrate beträgt dann etwa 2-3 m/s. Beim Abfangen muss der (virtuelle) Pilot ebenfalls auf der Hut sein, viel kinetische Energie ist nicht vorhanden, um einen verpatzten Flare auszugleichen.

Durch den steilen Anflug kann der Flieger auf sehr kurzen Plätzen gelandet werden. Die angegebene Strecke liegt dabei bei guten 200 m.

Das Flugverhalten fühlt sich sehr dynamisch an und man ist bestrebt die ganze Zeit zu steuern. Turbulenzen und Thermik nimmt die Wilga sehr gut mit und es schaukelt auch gehörig.

Fazit

 

Die Wilga von Got Friends ist ein weiteres Meisterwerk der Gruppe. Nach dem Release des Discus, ist die Wilga die perfekte Ergänzung, da ein Multiplayer F-Schlepp ebenfalls möglich ist.

Der Preis von 35$ ist absolut gerechtfertigt und wenn die kleinen Bugs im Bereich des Sounds noch gefixt werden, spielt die virtuelle Umsetzung des Pirols ganz oben in der Liga der General Aviation Flugzeuge mit.

Über die Schönheit dieses polnischen STOL-Flugzeugs namens Wilga lässt sich genüsslich streiten, zweckmäßig ist sie aber auf jeden Fall. Mit extremer Motorleistung werden aerodynamische Missstände verdeckt - und bis zu drei Segelflieger geschleppt. GotFriends hat heute die Wilga für den MSFS veröffentlicht. Wir haben sie schon vorher getestet.

GotFriends: PZL-104 Wilga 35/80

  • Preis / Leistung 8.0
  • Systeme/Simulation/Immersion 9.0
  • Sounds 8.0
  • Umfang / Handbuch / Liveries 10.0
  • Support 10.0
  • Unser Gesamtergebnis
9.0
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2 Kommentare
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RaphaelD
Team
1 Jahr zuvor

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Kein Thema, du darfst gerne nochmal kommentieren ;).

Marcel Bussmann
Marcel Bussmann
1 Jahr zuvor

Das Einzige was mich etwas enttäuscht ist der Sound. Klingt noch nicht wirklich nach Sternmotor. Aber GotFriends will ja etwas nachbessern

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